Brasilien zählt heute zu den größten Milchproduzenten der Welt und auch der Konsum von
Milchprodukten ähnelt dem Verbrauchsniveau vieler Milchländer des Nordens. Der Aufstieg der
Milch zu einem Massennahrungsmittel folgte hier jedoch einer gänzlich anderen Chronologie. Denn
bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben Konsum und Versorgung aufgrund
qualitativer Mängel ein hygienisches Problem und die neuralgische Milchfrage mithin
ungelöst.Sören Brinkmann untersucht die Geschichte der Milch in Brasilien aus
gesundheitspolitischer Perspektive und legt den Fokus dabei auf den Staat als maßgeblichen
Akteur. Milchpolitik im Sinne von regulatorischen Eingriffen der öffentlichen Hand
materialisierte sich einerseits als Antwort auf die hygienischen Risiken des Milchkonsums sowie
andererseits als Reaktion auf das ernährungswissenschaftliche Gebot eines täglichen
Milchkonsums für jedermann. Anhand der beiden Großstädte Rio de Janeiro und São Paulo
rekonstruiert Brinkmann die milchpolitische Intervention des Staates vom Ende des 19.
Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre und beleuchtet dabei nicht nur die strukturellen
Besonderheiten von Produktion Handel und Konsum sondern auch den langen Kampf von Medizinern
und Ernährungsexperten um eine sichere Milchversorgung.