Kiew späte Breschnewzeit. Julia ein so verträumtes wie rebellisches Mädchen wächst im Milieu
der bürgerlichen jüdischen Intelligenz heran. Während ihr Vater der in ständiger Angst lebt
denunziert zu werden Texte für eine Zirkusrevue schreibt unterhält sie sich nachts mit den
Führern des Weltproletariats. Ein älterer Herr der sich als Pole ausgibt und Werke über die
französische Küche verfasst zeigt ihr das Anatomische Theater aus zaristischer und
weißgardistischer Zeit. Das in Gärten versteckte Gebäude die Aura des Todes und der
materiellen Auflösung ziehen sie magisch an. Hier lauert ein Wissen der »Lunatismus« eine im
Mondlicht gesteigerte Selbstwahrnehmung mit dem sie sich den Zumutungen einer bedrängenden
Realität entziehen kann. Traurig wütend mit visionärer Sprachkraft begabt beschreibt Julia
Kissina ihre sowjetische Kindheit vor dem Hintergrund des physischen und ideellen Zerfalls der
Stadt Kiew und ihrer Bewohner. Die Museen und Parkbänke die verschlungenen Gässchen und
Hinterhöfe der Altstadt mit ihrem dahinsiechenden Abendlicht in den schmutzigen Pfützen
bleiben dem Leser unvergesslich.