Die zwischen 1884 und 1887 veröffentlichten Kokain-Schriften Freuds gehören zu seinen
Frühwerken. Sie sind in einer krisenhaften Lebenszeit entstanden: dem in seiner beruflichen
Existenz noch nicht gesicherten jungen Arzt war daran gelegen mit einer aufsehenerregenden
Leistung sich rasch einen Namen zu machen um sich niederlassen heiraten und einen Hausstand
gründen zu können. Er fing deshalb an mit dem damals in Europa noch weithin unbekannten
Alkaloid Kokain Versuche an sich selbst und anderen zu machen und es bei Patienten für die
Bekämpfung von Schwäche- und Verstimmungszuständen sowie bei der Morphiumentziehung
einzusetzen. Zunächst anscheinend mit Erfolg bald aber wurde ihm vorgeworfen er habe die
gefährlichen süchtigmachenden Eigenschaften des Kokains verkannt. Bis auf die erste hat Freud
seine Kokain-Veröffentlichungen später selbst äußerst kritisch betrachtet er sprach von
»Allotrion« und »Jugendsünden«.In der Sekundärliteratur werden sie als der vielleicht
umstrittenste Teil des Oeuvres kontrovers diskutiert. Es gibt Autoren die in den Freudschen
Selbstversuchen Vorstudien zu der in der späteren Selbstanalyse geübten Introspektion erkennen
- die dosierte Einnahme der Droge habe überdies den Zugang zum eigenen Unbewußten erleichtert -
andere entdecken im Freud der Kokain-Phase einen der Begründer der modernen
Psychopharmakologie. Gerade in jüngster Zeit hat es aber an vehementen Attacken nicht gefehlt:
Freud habe in dieser Zeit wissenschaftlich unsolide gearbeitet und klinisch voreilig
gehandelt.Der renommierte Medizinhistoriker Albrecht Hirschmüller hat die im Originalwortlaut
bisher verstreuten und teilweise nie mehr nachgedruckten Kokain-Schriften nicht nur erstmals
kritisch ediert in seiner Einleitung hat er den historischen Hintergrund auf dem Freud seine
Kokain-Forschungen betrieb so sorgsam rekonstruiert daß es dem Leser ermöglicht wird sich
ein ausgewogenes eigenes Urteil zu bilden.