Das eigene Leben offen schonungslos und radikal zum Gegenstand des Schreibens zu machen - dies
ist das Konzept zu dem sich Karl Ove Knausgård in einem furiosen Mammutprojekt entschlossen
hat. Radikal ehrlich und mit unglaublicher sprachlicher Kraft nähert er sich in »Sterben« dem
ersten Roman einer sechsbändigen Serie seinem schwierigen Verhältnis zum Vater das ihn
grundlegend geprägt hat. Als dieser stirbt und er sich mit seinem Bruder daran macht den
Nachlass zu ordnen bietet sich beiden ein Bild des Grauens. Während sie das Haus reinigen und
die Beerdigung vorbereiten kommen Erinnerungen hoch. Nach und nach entsteht so das Porträt
eines Mannes über den sich in der Kindheit das Gleichgewicht der Familie definierte und den
die beiden Söhne unsäglich zu hassen lernten. So sehr hat dieser Vater einen Schatten auf das
Leben der Brüder geworfen dass sie den Bestatter bitten die Leiche sehen zu dürfen. Erst dann
so sind sich beide einig werden sie glauben können dass er wirklich tot ist. Der Sog der von
Knausgårds direkter Art des Erzählens schon mit den ersten Sätzen ausgeht macht seinen Roman
zu einer faszinierenden und erschütternden Lektüre. Gerade weil er so radikal persönlich
schreibt gewinnt sein Text eine schmerzliche Allgemeingültigkeit. Selten ist in einem Stück
Literatur so greif- und fühlbar geworden was jeder Mensch ist: ein einmaliger und
unerschöpflicher innerer Kosmos.