Ausgangspunkt der Arbeit ist eine neue mediale Thematisierung sexueller Gewalt durch
pädagogische Fachkräfte seit 2010. Dieser wird zu Beginn der Arbeit als Gegenstand seine
ambivalenten Folgen dargestellt. Zum einen entwickelte sich ein großes Potential für Prävention
Intervention und längst überfällige Aufarbeitung. Zum anderen kommt es zu einem
gesellschaftlichen Generalverdacht gegen pädagogische Fachkräfte. Vor diesem Hintergrund stellt
die Arbeit die Frage: Vor welchen Herausforderungen stehen pädagogische Fachkräfte der
Heimerziehung angesichts des neuen öffentlichen Diskurses über sexuelle Gewalt gegen
Schutzbefohlene? Anhand von sechs Gruppendiskussionen mit Teams aus der Heimerziehung wird
mittels der Dokumentarischen Methode rekonstruiert dass die Fachkräfte sich im Zuge des
öffentlichen Diskurses unter Generalverdacht gestellt fühlen. Empirisch kann gezeigt werden
dass das Thema sexuelle Gewalt durch diesen und fünf weitere Anlässe für die Fachkräfte
relevant wird (Ausbildung biografische Betroffenheit institutionelle Bedingungen Tatverdacht
Gewalttaten und kindliche Bedürfnisse nach Versorgung und Nähe). Der subjektiv wahrgenommene
Generalverdacht geht für die Fachkräfte einher mit der Angst vor Repressalien gegen die eigene
Person oder Kolleg*innen. Kindliche Bedürfnisse nach Nähe werden für die Fachkräfte vor dem
Hintergrund zum Risiko. Gehen sie den Bedürfnissen fachlich angemessen nach glauben sie Gefahr
zu laufen sexueller Gewalt bezichtigt zu werden. Sie stehen vor einem professionellen Dilemma
und müssen den Schutz der eigenen Person gegen die Nähebedürfnisse der Kinder und Jugendlichen
abwägen. Die Folge ist distanziert(ere)s und technokratisches Handeln welches je nach
konzeptioneller Perspektive unprofessionell und im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kinder und
Jugendlichen verletzend sein kann. Um der Herausforderung zu begegnen haben die Fachkräfte
Bewältigungsstrategien entwickelt. Diese sind davon abhängig (1) ob die Fachkräfte sich
vorstellen können dass eine*r ihrer Kolleg*innen sexuelle Gewalt verübt (2) inwieweit sich
Fachkräfte für ein Nähebedürfnis der Kinder und Jugendlichen verantwortlich fühlen
(familienanalog vs. nicht familienanalog) und (3) wie sich der Umgang der Organisation mit der
medialen Thematisierung darstellt. Als ein weiterer Ergebnisstrang kann in der Arbeit gezeigt
werden dass sexuelle Gewalt durch eigene Kolleg*innen nicht bzw. nur sehr schwer vorstellbar
ist. Diese Undenkbarkeit ist in die Sprache der Beforschten eingeschrieben. Die Arbeit zeigt
wie dieser fehlende Wahrnehmungshorizont das Handeln der Fachkräfte beeinflusst. Dies ist ein
Open-Access-Buch.