In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das europäische Forschungsinteresse in
Westasien zunehmend auf die von KurdInnen bewohnten Gebiete ausgeweitet. Aus heutiger Sicht
leisteten diese Studien nicht nur Beiträge zur Erforschung noch wenig bekannter Regionen
sondern auch zur Entstehung Kurdischer Studien. Anfangs war das Forschungsinteresse fast
ausschließlich von britischen russischen und französischen kolonialen Interessen bestimmt die
in den letzten drei Jahrzehnten von postkolonialen Ansätzen kritisch hinterfragt und deren
Bedeutung neu bestimmt wurde. Jene Studienreisen die keinen kolonialen Hintergrund hatten und
kein wirtschaftliches oder machtpolitisches Interesse verfolgten sind gerade deshalb von
besonderem Interesse. Daher können heute jene unabhängigen und eigenständig organisierten
Forschungen wie die des in Wien und Prag tätigen Josef Wünsch (1842-1907) als Pionierarbeiten
gesehen werden. Wünsch folgte einem universalistischen Forschungsinteresse und unternahm
ethnographische und kartographische Dokumentationen. Er erstellte detailliertes Kartenmaterial
der 'kurdischen Regionen' und legte eine Museumssammlung mit Alltagsgegenständen an. Die
Ergebnisse seiner Forschungen über Mesopotamien veröffentlichte er in Wiener und Prager
Journalen allerdings hat er nie eine Gesamtdarstellung über seine zweijährige
Forschungstätigkeit verfasst. Wünschs Nachlass ist heute auf unterschiedliche österreichische
und tschechische Institutionen aufgeteilt. In dem vorliegenden Sammelband werden durch die
Zusammenführung der Teilnachlässe von Josef Wünsch alle veröffentlichten wie auch
unveröffentlichten Ergebnisse aufbereitet tschechische Darstellungen in kommentierter
Übersetzung aufgenommen und sodann eine kritische Neubewertung unternommen. Vorangestellt wird
ein einführendes Kapitel über die österreichischen Beiträge zur Entwicklung der Kurdischen
Studien seit dem späten 19. Jahrhundert.