Der Rath des Horaz nonum prenatur in annum pflegt in unserer schnell lebenden Zeit öfter
gegeben als befolgt zu werden. Auch ich kann mich nicht rühmen dass ich das Manuskript meiner
Metrik neun Jahre im Pulte liegen liess aber mehr wie neun Jahre habe ich den Fragen deren
zusammenfassende Beantwortung ich in diesem Buche der geneigten Beurteilung der Fachmänner
biete zum Gegenstand ernster und vielseitiger Studien gemacht. Mannigfach waren die Wege
welche mich dem erstrebten Ziele zuführten. Ich habe die metrischen Grundsätze der
hervorragendsten Dichter des Altertums im einzelnen untersucht und die wichtigsten Punkte in
besonderen Monographien wie über die metrische Überlieferung der pindarischen Oden über den
Wert der überlieferten Kolometrie in den griechischen Dramen die Cantica des Plautus die
Verskunst des Horaz ins rechte Licht zu setzen gesucht. Ich bin auch über die Schranken der
alten Literatur hinausgegangen und habe den ungebahnten Weg ins Mittelalter und die Poesie der
griechischen Kirche nicht gescheut in der lockenden reich belohnten Hoffnung dass die aus
dem Born der alten Musik abgeleiteten Bäche mich zur besseren Erkenntnis des Urquells
zurückführen würden. Neben den Werken der Dichter in welchen ich die verhüllten metrischen
Grundsätze ihrer Verfasser wiederzuerkennen suchte waren es natürlich die Bücher über Rhythmik
und Metrik aus alter wie neuer Zeit welche meine Studien in Anspruch nahmen. Anfangs gedachte
ich sogar in der Einleitung eine Geschichte der metrischen Theorie zu geben und insbesondere
den aus dem Altertum uns erhaltenen Schriften ihre richtige Stelle in dem Entwicklungsgang
unserer Wissenschaft anzuweisen. Später stand ich jedoch von diesem Plane ab zunächst um den
Umfang des Buches das sich als Handbuch ankündigte nicht noch mehr anschwellen zu lassen
dann aber auch weil ein eingehenderes Studium mich immer mehr von dem geringen Werte der Lehre
der alten Metriker wie Rhythmiker überzeugte. [...] Dieses besondere Buch ist ein unveränderter
Nachdruck der längst vergriffenen Originalausgabe von 1874.