Das wahre Leben eines Künstlers besteht in der Ausbildung seiner Anlagen und in der Ausübung
seines Talents Die äusseren Umstände die es begleiten sind nur in sofern bedeutend und
merkwürdig als sie auf die Entwickelung seines Vermögens hindernd oder fördernd einwirkten
als sie seinem Genius diese oder jene Richtung gaben durch welche der eigentümliche Charakter
seiner Werke als vereintes Erzeugnis der Naturanlage und Bildung grossenteils mit bestimmt
wird. Da nun in der Kunstgeschichte nur das wissenswürdig ist was irgend einen merklichen
Einfluss auf die Zustände der Kunst gehabt was für ihre theoretische und praktische ihre
technische und ästhetische Entwickelung und Fortbildung fruchtbar gewesen ist was sie richtig
geleitet oder irre geführt hat. Der Kunstgeschichte ist so wenig mit blossen Namen von
Künstlern die nichts Ausgezeichnetes geleistet haben als der Kunst mit mittelmässigen Werken
gedient. Beide sind da und schwinden ohne eine Wirkung im Gebiete derselben zu hinterlassen.
In dieser Hinsicht besonders schien dem Verfasser das Kunstleben des verstorbenen Carstens eine
ausführliche Darstellung zu verdienen. Das aber was den Verfasser vornehmlich zu dem
Entschlusse bestimmte das Leben dieses Künstlers zu schreiben war sein mehrjähriges
vertrautes Zusammenleben mit demselben während des er Gelegenheit hatte den eigentümlichen
Genius des Künstlers die Art und das Fortschreiten seiner Bildung so wie das Verfahren
desselben beim Hervorbringen seiner Werke nebst dessen Gedanken und Ansichten von der Kunst
genau kennen zu lernen. [...] Vorliegender Band über das Leben des Künstlers Asmus Jakob
Carstens aus der Feder des deutschen Kunsttheoretiker und Romanisten Carl Ludwig Fernow ist ein
Beitrag zur Kunstgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Dieses Buch ist ein unveränderter
Nachdruck der längst vergriffenen Originalausgabe von 1806.