Der Krankheitsfall über welchen ich hier berichten werde ist durch eine Anzahl von
Eigentümlichkeiten ausgezeichnet welche zu ihrer Hervorhebung vor der Darstellung auffordern.
Er betrifft einen jungen Mann welcher in seinem achtzehnten Jahr nach einer gonorrhöischen
Infektion als krank zusammenbrach und gänzlich abhängig und existenzunfähig war als er mehrere
Jahre später in psychoanalytische Behandlung trat. Das Jahrzehnt seiner Jugend vor dem
Zeitpunkt der Erkrankung hatte er in annähernd normaler Weise durchlebt und seine
Mittelschulstudien ohne viel Störung erledigt. Aber seine früheren Jahre waren von einer
schweren neurotischen Störung beherrscht gewesen welche knapp vor seinem vierten Geburtstag
als Angsthysterie (Tierphobie) begann sich dann in eine Zwangsneurose mit religiösem Inhalt
umsetzte und mit ihren Ausläufern bis in sein zehntes Jahr hineinreichte. Meine Beschreibung
wird also von einer infantilen Neurose handeln die nicht während ihres Bestandes sondern erst
fünfzehn Jahre nach ihrem Ablauf analysiert worden ist. Diese Situation hat ihre Vorzüge ebenso
wohl wie ihre Nachteile im Vergleiche mit der anderen. Die Analyse die man am neurotischen
Kind selbst vollzieht wird von vornherein vertrauenswürdiger erscheinen aber sie kann nicht
sehr inhaltsreich sein man muß dem Kind zuviel Worte und Gedanken leihen und wird vielleicht
doch die tiefsten Schichten undurchdringlich für das Bewußtsein finden. Die Analyse der
Kindheitserkrankung durch das Medium der Erinnerung bei dem Erwachsenen und geistig Gereiften
ist von diesen Einschränkungen frei aber man wird die Verzerrung und Zurichtung in Rechnung
bringen welcher die eigene Vergangenheit beim Rückblick aus späterer Zeit unterworfen ist. Der
erste Fall gibt vielleicht die überzeugenderen Resultate der zweite ist der bei weitem
lehrreichere. [...] Dieses Buch ist ein unveränderter Nachdruck der längst vergriffenen
Originalausgabe von 1924.