Die Schwalm - ein südlich von Kassel gelegener Landstrich - und ihre Bevölkerung sind
Gegenstand zahlreicher volkskundlicher und kulturhistorischer Darstellungen. Die jüngere
Geschichte insbesondere der rasche Siegeszug der Nationalsozialisten ist dagegen bisher nur
in einigen Aspekten untersucht worden.Die NSDAP war bei den Reichstagswahlen im Mai 1928 eine
rechtsradikale Splitterpartei die im Kreis Ziegenhain 2 3 Prozent der abgegebenen Stimmen
erhielt. Nur zweieinhalb Jahre später bei den Reichstagswahlen im September 1930 konnten die
Nationalsozialisten im Kreis 40 8 Prozent der Stimmen für sich verbuchen und waren damit
stärkste Partei. In manchen kleineren Dörfern kamen sie bereits auf 70 - 90 Prozent der
Stimmen.Was lässt sich das erklären?Auf diese Frage gibt Katharina Stengel in ihrer
detailreichen und anschaulichen Studie Antworten: Sie konzentriert sich auf die Jahre 1930 bis
1939 also auf die Vorgeschichte der nationalsozialistischen Machtübernahme in der Region und
die Jahre des 'Dritten Reichs' bis zum Beginn des Krieges. Sie untersucht regionale
Besonderheiten und Entwicklungen ebenso wie die Wirkungen überregionaler Ereignisse oder
Strukturen.Die hoch besetzte bäuerliche Tradition der Schwalm war mit einem sehr konservativen
Standesdenken verbunden die ländliche Solidargemeinschaft der Dörfer schirmte sich gegen alles
was von außen kam rigide ab und sah sich durch die Umwälzungen der Moderne in ihrem Bestand
bedroht insbesondere durch eine Wirtschafts- und Agrarkrise deren Folgen man ausgeliefert war
ohne ihre Hintergründe zu verstehen. Den Nationalsozialisten in der Schwalm gelang es besonders
gut sich als Bewahrer einer alten Ordnung und traditionellen Lebensweise darzustellen auf die
man so großen Wert legte. Das überzeugte gleichermaßen die wohlhabenden Landwirte wie die
verarmten Landarbeiter. Die gewaltigen Umwälzungen die der Nationalsozialismus gleichzeitig
ankündigte sollten in der Vorstellungswelt der Landbevölkerung zwar vielleicht deren
Lebensstandard verbessern aber ansonsten irgendwo in der großen Welt stattfinden und gewiss
nicht in ihren Dörfern.Diese Arbeit richtet sich nicht allein an ein Fachpublikum sondern soll
es auch interessierten Bewohnern der Schwalm ermöglichen sich ein Bild von diesem Teil der
Vergangenheit der Region zu machen.