W. G. Sebald und sein literarisches Erbe mit der Kategorie des Pathos in Verbindung zu bringen
hat auf den ersten Blick etwas Paradoxes. Sebald selbst hat in seinen kritischen Schriften und
Gesprächen stets eine »unpathetische Diktion« eine »leidenschaftslose Art der Rede« eine
Neutralität des Tons gefordert. Sein »ethisch-ästhetisches« Stilideal orientiert sich eher an
der literarischen Tradition der Flaubertschen impassibilité und an sachlich-dokumentarischen
Formen. Zugleich aber steht Pathos als zu vermittelndes Unglück und Leid im Zentrum von Sebalds
Werk. Sein antipathetisches Stilideal geht selbst auf verschiedene Traditionen des Pathos
zurück und seine Prosa entwickelt ganz eigene Pathosformen und -formeln. Der Sammelband möchte
diesen Verfahrensweisen nachspüren und nach der ästhetischen aber auch kulturkritischen sowie
kulturpolitischen Funktion des Pathos in der internationalen zeitgenössischen Literatur fragen:
Wie wird hier Empathie reguliert und reflektiert? Gibt es eine Poetik Ästhetik aber auch
Medialität des Pathos? Gibt es spezifische tradierte Erzählweisen des Pathos?