Bei polizeilichen Gefährlichkeitseinschätzungen in Fällen von häuslicher Gewalt und im Hinblick
auf eine zu befürchtende Eskalationstat stützt sich das Prognoseergebnis oftmals allein auf die
Betrachtung der polizeilichen Historie des Aggressors und der Frage danach ob ihm
zwischenzeitlich nicht bereits der Versuch oder die Vollendung einer Eskalationstat möglich
gewesen wäre. Insofern liegt das Ergebnis zumeist auf der Hand. Der Aggressor hat eine solche
Handlung bis dato nicht ausgeführt also wird er es in Zukunft auch nicht tun. Dieser
Gedankengang kann zu folgenschweren Fehleinschätzungen führen und wird durch die breite
Öffentlichkeit mit der Vorstellung verbunden es müsse immer erst etwas passieren bis die
Polizei sich kümmere sie schreite immer erst ein wenn es bereits zu spät sei.
Wissenschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin dass bestimmte Risikomerkmale auf ein
besonderes Eskalationspotential deuten lassen wobei die Konfliktdynamik gerade in Fällen von
häuslicher Gewalt von besonderer Bedeutung ist. Schließlich schwelt der Konflikt zwischen
Menschen deren Intimbeziehung einmal der Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens bedeutete. Dieses
Werk verfolgt die Absicht Erkenntnisse aus der Wissenschaft das polizeiliche Erfahrungswissen
und das (Bauch)-Gefühl polizeilicher Ersteinschreiter sowie kriminalpolizeilicher
Sachbearbeiter übereinander zu bringen um eine größtmögliche Akzeptanz innerhalb der
Anwenderzielgruppe zu erreichen. Wir Autoren nennen diese Verfahrensweise "WEG-Konzept" und
wollen damit herausstellen dass der Einfluss jeder Komponente die jeweils anderen Komponenten
nicht ausschließen muss stattdessen zu weiteren Denkanstößen anregen soll oder im Idealfall zu
kongruenten Aussagen führt. Darüber hinaus widmet sich ein Kapitel des Werkes der Maßnahme der
Gefährderansprache bzw. des Gefährdergesprächs. Allzu oft neigen wir Polizisten dazu diesem
Thema nicht die angemessene Bedeutung zuzumessen und leben in der Vorstellung ein Täter mit
konkreter Handlungsabsicht lasse sich ohnehin nicht durch ein Gespräch mit der Polizei oder
damit verbundenen Verfügungen und Anordnungen von seiner Handlungsabsicht abhalten. Dabei
schenken wir so manches Mal dem Gedanken keine Beachtung dass der Kontakt zur
gefahrenverursachenden Person auch darauf abzielt die Informationslage zu bereichern und
miteinander ins beratende Gespräch zu kommen. Letztlich bildet der Einblick in die Gedankenwelt
der gefahrenverursachenden Person ein wichtiges Mosaikstückchen bei der Erstellung einer
fundierten Gefährdungsanalyse und bereichert die Erkenntnisgewinnung im erheblichen Maße. PHK
Andreas Derks PP Bochum Dienstgruppenleiter auf der Polizeiwache Bochum-Mitte und PK
Sebastian Frießnegg PP Bochum Wachdienstbeamter auf der Polizeiwache in Herne.