Jeder Raum hat seine (Un-)Gleichzeitigkeiten. Aber nicht an jedem drängen sich die
verschiedenen Ebenen so sichtbar auf und werden zu einem Politikum wie in Ludwigsfeld. Das
Stadtviertel im Münchner Norden das heute in erster Linie Wohnraum darstellt ist von der
Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger historischer Schichten geprägt. Die 1952 errichtete Neue
Wohnsiedlung Ludwigsfeld wurde trotz schwieriger Voraussetzungen sowie der geographischen und
symbolischen Isolation von der heterogenen Bewohnerinnenschaft mit einem sinnstiftenden
symbolischen Bedeutungssystem aufgeladen das sich in einer bis heute spürbaren lokalen
kollektiven Identität äußert. Das Vergangene das KZ-Außenlager und die Nutzung des Areals in
den ersten Nachkriegsjahren unter anderem als Bundesauswandererlager macht gleichzeitig durch
seine materielle Erscheinung auf sich aufmerksam. In den letzten Jahren drängt es auch
verstärkt durch den Verkauf der bundeseigenen Siedlungen und den Diskussionen um angemessenes
Erinnern an das KZ-Außenlager an die Oberfläche. Diese ethnographische Studie zeichnet die
zahlreichen Bedeutungsschichten nach die auf einen Kampf um Anerkennung und Deutungshoheit
über Ludwigsfeld verweisen. In Anknüpfung an raum- und anerkennungstheoretische Konzepte
Theorien lokaler kollektiver Identitäten sowie Überlegungen zu Gedächtnis- und
Erinnerungskulturen wird herausgearbeitet wie Ludwigsfeld als Raum von verschiedenen
Akteurinnen problematisiert und unterschiedlich angeeignet wird. In Ludwigsfeld spiegeln sich
in einem kleinen geographischen Rahmen mikroskopisch zeitgeschichtliche Entwicklungen Münchens
begegnen sich gegensätzlich Standpunkte angemessenen Umgang mit diesen und werden gleichzeitig
Fragen des zukünftigen Wohnens und Zusammenlebens in der Stadt verhandelt.