In seinen im November 2014 gehaltenen Poetikvorlesungen spricht Marcel Beyer über »die Löcher
im Stoff der Wirklichkeit« über Wirklichkeit also die kein kontinuierliches Ganzes bildet
sondern aus Inseln (und Löchern) zusammenzusetzen ist und sich nicht zuletzt aus medialen
Fiktionen speist.Er spricht über einen Tag im Herbst an dem er in einem Flugzeug nach
Frankfurt sitzt in der Reihe vor sich eine fernsehbekannte Literaturkritikerin. Das Notieren
der sehr konkreten Situation verkoppelt Beyer mit dem Nachdenken über Georges Perec der 1974
drei Tage lang schreibend versuchte einen Platz in Paris »erschöpfend zu erfassen«. Perec das
Waisenkind jüdischer Einwanderer musste sich seine Kindheitserinnerungen erst erschreiben
wohingegen in Cécile Wajsbrots Protokoll der geistigen Erkrankung ihres Vaters dieser
allmählich alle Erinnerungen verliert.In den Blick nimmt Beyer nicht weniger als das 20.
Jahrhundert die »Faktenlage« - und die Imaginationsarbeit die notwendig ist will man sich
eine eigene Lebensgeschichte schaffen. Ein Punkt an dem »Alice im Wunderland« ins Spiel kommt
und sei es auch nur in Form weißer Kaninchen die durch die Szene laufen und rufen: »Jemine
jemine keine Zeit keine Zeit.«