»Die schriftlosen Völker sind ... nicht weniger erwachsen als die anderen. Ihre Geschichte
reicht ebenso weit zuru¿ck wie die unsere und falls man nicht dem Rassismus huldigt besteht
keinerlei Grund sie fu¿r unfähig zu halten u¿ber ihre eigene Erfahrung nachzudenken und fu¿r
ihre Probleme die angemessenen Lösungen zu finden.« Gesellschaftsorganisation und
Staatenbildung gehen nicht zwangsläufig miteinander einher denn es gibt politische Gemeinwesen
die sich gegen den Staat formieren. Mit Pierre Clastres Staatsfeinden ist ein Klassiker der
politischen Anthropologie wiederzuentdecken der den Hauptströmungen der politischen
Wissenschaften seiner Zeit entschieden widersprach. Das 1974 in Frankreich veröffentlichte Werk
hat u. a. Gilles Deleuze Eduardo Viveiros de Castro Philippe Descola James C. Scott David
Graeber und Tim Ingold maßgeblich beeinflusst und ist nach wie vor eine zentrale Quelle fu¿r
das Verständnis und die Kritik politischer Herrschaft. Pierre Clastres tritt in seinem Buch
u¿ber die Staatsfeinde der weit verbreiteten Annahme entgegen dass diejenigen Völker die ohne
Staat und Institutionen der Herrschaft leben »primitiver« seien als andere. Die Abwesenheit
staatlicher Institutionen bei den indigenen Völkern des Amazonasbeckens ist kein Hinweis darauf
dass diese sich nicht auf die Höhe zivilisierter Gesellschaften zu erheben vermögen. Im
Gegenteil: Clastres zeigt anhand seiner Feldstudien dass diese Völker nicht nur keinen Staat
haben sondern auch keinen wollen. Sie sind »Gesellschaften gegen den Staat«. Sie haben
komplexe politische ökonomische und symbolische Mechanismen entwickelt um zu vermeiden dass
sich Institutionen entwickeln die eine dauerhafte Macht von Menschen u¿ber Menschen
ermöglichen. In dieser Hinsicht ist Clastres' Buch auch fu¿r die politische Theorie der
Gegenwart neu zu entdecken.