Antisemitismus ist gegenwärtig ein globales Phänomen das in manchen Ländern mehr in anderen
weniger verbreitet ist. Vor allem in der islamisch-arabischen Welt ist in den letzten Jahren
ein Anstieg offener antisemitischer Äußerungen zu verzeichnen teilweise bedingt durch den
Nahostkonflikt und durch die Radikalisierung des Islams. Allerdings hat der Antisemitismus in
keinem Land solche Ausmaße und Konsequenzen gehabt wie im nationalsozialistischen Deutschland
wo er erstmalig in der Geschichte eine Art Staatsdoktrin darstellte. Die systematische
Judenverfolgung über die eigenen Staatsgrenzen hinaus gipfelte schließlich in der Shoa die
Millionen von Juden das Leben kostete und für die Geschichte Deutschlands als auch für die
Geschichte des Antisemitismus einen radikalen Bruch darstellt. Trotz dieser historisch
singulären Ereignisse ist Antisemitismus heute in Deutschland kein überholtes Phänomen oder
eine Einstellung radikaler Minderheiten. Dies belegt die empirische Sozialforschung und die
zahlreichen öffentlichen Debatten der jüngsten Zeit die unter dem Paradigma der
Vergangenheitsbewältigung standen und immer noch stehen. Im Rahmen dieser Studie soll
untersucht werden wie sich der Antisemitismus nach der Shoa im öffentlichen Diskurs in
Deutschland entwickelt hat. Insbesondere sollen dabei die Debatten nach der Wiedervereinigung
1990 die einen entscheidenden politischen Einschnitt markiert betrachtet werden. Dabei soll
die Rolle des Antisemitismus in der politischen Kultur analysiert werden. Daraus resultierend
soll diskutiert werden was den Antisemitismus gegenwärtig in Deutschland charakterisiert und
wodurch er sich auszeichnet. Das Ziel ist eine Konkretisierung des Begriffs Antisemitismus. Für
diese Konkretisierung bedarf es nicht nur einer allgemeinen und abstrakten Definition des
Begriffs sondern auch eines Blickes auf die gängigen Erklärungstheorien des Ressentiments.
Nicht minder bedeutsam ist die historische Entwicklung des Antisemitismus bis zur Gegenwart
sowie der Wandel der Bezugspunkte. Im Zeitalter der Globalisierung ist der Fokus nicht mehr
alleine auf Deutschland gerichtet sondern antisemitische Agitation richtet sich zunehmend
gegen Israel und die USA forciert durch die Mythen um die Terroranschläge des 11. Septembers
2001 und den Nahostkonflikt. Ein Exkurs soll deshalb die Verbindungen und Überschneidungen von
Antisemitismus Antiamerikanismus Verschwörungstheorien und Israelfeindschaft aufzeigen und
die Brisanz für den aktuellen politischen Diskurs verdeutlichen. Das Resümee fasst die
Entwicklung des Antisemitismus nach der Shoa zusammen um darauf basierend den Begriff
Antisemitismus konkreter zu definieren.