Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand
einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst Kultur Philosophie und Politik. Als
Kernland des römischen Imperiums mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf
dem Pilgerweg ins Heilige Land durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige
Republiken wie beispielsweise Venedig Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von
besonderem Interesse. 1 Dies gilt auch für die Zeit nach 1796 für die Zeit nach dem Einmarsch
der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte
Italiens.Vergleichbar mit den deutschen Ländern war der Weg Italiens hin zur Unabhängigkeit und
zu einer geeinigten Ländergemeinschaft durch eine langwierige Entwicklung geprägt. Bereits vom
Wiener Kongress an formierten sich auf der Appenninen-Halbinsel Einigungsbewegungen informelle
Gruppen deren Mitglieder im Verlauf der Jahrzehnte an Einfluss gewannen. Sowohl in den
deutschen wie in den italienischen Ländern gab die fehlgeschlagene Pariser Julirevolution einen
wichtigen Impuls für weitere dringlichere Forderungen nach nationalstaatlicher Einheit
liberaleren Verfassungen und Demokratisierung. Doch diesseits wie jenseits der Alpen wurde der
Politisierungsschub unterdrückt scheiterten wie in Frankreich die Aufstände gegen die
Obrigkeit. Der sog. Risorgimento 2 ist darin und in anderen Punkten dem Vormärz vergleichbar.
Auch die in beiden Ländern letztlich gescheiterte Revolution von 1848 brachte Herrscher in den
italienischen wie den deutschen Ländern dazu kleinere Zugeständnisse zu machen und stärkte
Ideen von nationaler Einigung und Demokratisierung. 3 Und ähnlich wie in Deutschland mündete
dieser Prozess auch in Italien erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Gründung
eines Nationalstaates.Beide Länder gelten als verspätete Nation der Vergleich Bismarcks mit
Cavour hat eine lange Tradition in der deutschen Geschichtsschreibung.4 Die Kritik an der
Konstruktion solcher historischer Parallelitäten allerdings auch. 5 Dies berücksichtigend
zielt das vorliegende Jahrbuch sowohl darauf an Einzelbeispielen das komplexe Geflecht von
Netzwerken kulturellem Transfer und deutsch-italienischen Einflüssen und Abhängigkeiten zu
verdeutlichen als auch darauf einige Besonderheiten innerhalb der deutschen bzw.
italienischen Gesellschaften und Kulturen auf deren Weg zu mehr Liberalität und Demokratie zu
beleuchten. Damit stellt das vorliegende Jahrbuch auch eine Reaktion auf eine Forschungstendenz
v. a. innerhalb der Literaturwissenschaften dar Italien in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts v. a. perspektiviert durch die Reiseeindrücke Johann Wolfgang von Goethes und
beispielsweise Darstellungen Joseph von Eichendorffs Ludwig Tiecks und Heinrich Wackenroders
zu erforschen 6 stärker politisch oder kultur- und literaturvergleichende Aspekte aber
auszusparen. Eine Ausnahme bilden Studien der zu früh verstorbenen Philologin Christina Ujma
deren letztes Buch Stadt Kultur Revolution. Italienansichten deutschsprachiger
Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts posthum erschien. 7 Das vorliegende ihr gewidmete
Jahrbuch zielt deswegen darauf die Erforschung deutsch-italienischer Beziehungen mit Blick v.
a. auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fortzuführen und zu ergänzen. Ein besonderes
Augenmerk liegt dabei auf historisch-politischen Analysen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden
von Vor- bzw. Nachmärz und Risorgimento bzw. Postrisorgimento. In komparatistischer Perspektive
sind gleichfalls deutsche und italienische Reaktionen auf die Restauration sowie auf die
Niederschlagung von Revolten in Europa und in den genannten Zeiträumen interessant. Das
Jahrbuch dient vor diesem Hintergrund der Fortführung und Ergänzung einer interdisziplinären
wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit deutsch-italienischen Beziehungen diesmal
vornehmlich aus der Perspektive