Als Österreich bei der Ersten Teilung Polens 1772 mit nur geringem Aufwand das Königreich
Galizien und Lodomerien das größte seiner Kronländer erwarb in dessen Namen die alten
ukrainischen Fürstentümer Haly und Volodymyr nach¬klingen wußte man zunächst nicht so recht
was man sich da eingehandelt hatte. Es dauert ein paar Jahrzehnte bis die
deutsch-österreichische Publizistik hinter der rückständigen Exotik die Multinationalität und
Multikulturalität dieses Landes entdeckte und es dauerte noch einmal so lang bis die
nicht-deutschsprachigen Autoren aus Galizien ihre eigene Sicht der Dinge zu Papier bringen.
Leopold von Sacher-Masoch ist einer der ersten österreichischen Schriftsteller die auf das
Nebeneinander von Polen Ukrainern und Juden in Galizien hingewiesen haben.Neben den erwähnten
Nationalitäten gab es in Galizien eine ganze Reihe weiterer ethnischer Gruppen und Minderheiten
von den deutschen und österreichischen Beamten angefangen bis zu den armenischen und
griechischen Kaufleuten in Lemberg den Bojken und Lemken in den Beskiden und westlichen
Karpaten den Huzulen in den Ostkarpaten den jüdischen Karaimen und russischen Lippowanern in
der Bukowina die aber sofern sie literarisch greifbar sind sich in österreichischer Zeit des
Polnischen Deutschen oder Ukrainischen bedienten so daß sich die kulturelle Vielfalt
Galiziens auf eine sprachliche Trias reduzieren läßt der auch die Auswahl der Beiträge dieses
Bandes Rechnung trägt.Historische Verifizierbarkeit tritt zurück hinter die künstlerische
Wahrheit galizischer Topoi und Versatzstücke wie man sie je neu und individuell für sich
entdeckt. Dabei stößt man einmal mehr auf die Multinationalität und Multikulturalität jenes auf
immer verlorenen galizischen Kosmos dessen Rekonstruktion für manche eine literarische Heimat
für andere ein Modell funktionierender interethnischer Beziehungen darstellt das in einem
neuen Europa von neuer Relevanz sein könnte.