Im ersten Band der Neuen Folge der Reden und kleinen Schriften untersucht Klaus Heinrich die
Quelle des christlichen Antisemitismus im Johannes-Evangelium weiter die Faszination die bis
heute von fernöstlicher Meditation und Askese ausgeht und im Jenseits von Enttäuschung und
Nichtenttäuschung gefunden werden soll wie dann auch den Umstand daß der Rede von der
Gemütlichkeit bereits der Umschlag in die Brutalität innewohnt. Die drei Studien reflektieren
in verschiedener Weise auf den Nationalsozialismus und sein Fortleben in der Demokratie nach
1945.Der erste hier vorgelegte Aufsatz Wie eine Religion der anderen die Wahrheit wegnimmt geht
dem »Unbehagen bei der Lektüre des Johannes-Evangeliums« auf den Grund und fragt wie sich die
christliche Religion entlang des Wahrheitsanspruchs von ihrer Vaterreligion zu lösen vermochte
und die Hebräische Bibel zum bloß Alten Testament ummodeln konnte. Und der Essay gibt bald auch
schon eine erste Auskunft auf diese Frage: indem die jüdische Wahrheit nurmehr als christlich
aufgehobene festgehalten wurde konnte sich die christliche Religion als 'eigentliche'
Vaterreligion inszenieren. Die jüdische Wahrheitsfigur emeth die Treue die sich durch den mit
Gott geschlossenen Bund erhält wurde durch den exzessiven Gebrauch der aletheia getilgt. So
ließ sich mit einigen Anstrengungen eine auf Christus zugeschnittene Religion in die Welt
setzen die die Juden als Wahrheitsmörder und Lügner halluzinierte. Man unterstellte ihnen
selbst nicht in der Wahrheit zu stehen: »Das Mosaische Gesetz das will der Verfasser des
Johannes-Evangeliums nahelegen sei ohne Wahrheit und gnadenlos. Das führt zu einer
mörderischen Konsequenz vor der das Wort 'die Wahrheit wird euch freimachen' (Joh 8 32) das
in diesem Kontext fällt wie ein erster Aufruf zum Pogrom erscheint.«Der Aufsatz Sprung ins
Zentrum Hausverlassen Revolutionärer Quietismus fragt nach der Faszination für die Formen
fernöstlicher Meditation und Askese die sich rasch wandelten. Nach der Nirvana-Sehnsucht des
19. Jahrhunderts der darauf folgenden Begeisterung für indische Lebensphilosophie und der nach
dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden Beschäftigung mit dem japanischen Zen gibt es nun die
Faszination für ein Jenseits von Enttäuschung und Nichtenttäuschung. Sie ist vielleicht so zu
fassen und dadurch zu begründen daß das Jenseits sich durch die historisch erlebten
Enttäuschungen wie von selbst einstellt: »enttäuscht von nationalen Opferprozeduren und
Vernichtungsunternehmen sowie den zugehörigen philosophischen Reinigungs- und
Rechtfertigungsritualen enttäuscht auch von dem Wechsel zwischen einer in die Geschichte
projizierten Kette von Enttäuschungen und der vergeblichen Suche nach dem Nichtenttäuschenden
fasziniert jetzt das Jenseits von Enttäuschung und Nichtenttäuschung - die zur Entlastung
aufgerufene als heilkräftig angerufene Indifferenz.«In der dritten Untersuchung wird der
'Gemütlichkeit' alle vermeintliche Harmlosigkeit genommen. Denn das Wort hat namentlich in der
deutschen Geschichte ein ungemütliches Revers bekommen: die 'Brutalität'. Und damit
zusammenhängend stellte sich eine spezifisch nationale Mentalität ein die in der 'Bande' ihren
praktischen Ausdruck findet. Der aus dem pietistischen Gebrauch des Worts 'Gemütlichkeit'
verdrängte 'Mut' kehrt in entstellter Form wieder: als ein der Sublimierung unzugängliches von
seiner 'gemütlichen' Kehrseite hinfort nicht mehr wegdenkbares Brutalverhalten. 'Ungemütlich':
die Verwendung dieses Worts insbesondere in dem charakteristischen Umschlag gebraucht den das
'ungemütlich werden' benennt signalisiert eine soziale Drohung die in der Anrufung der
»völkisch-nationalen Schutzgottheit beschworen wird: 'Ein Prosit ein Prosit der
Ge-müt-lich-keit!' - gesellig und mit Lallstimme in dem Moment in dem die Vollen entleert und
alle wechselseitigen Beziehungen aufgehoben erscheinen und abermals das Zeichen des Alarms:
daß die so Singenden gleich 'ungemütlich' werden und sic