Sommer 1937: Im Berliner Kupferstichkabinett seinerzeit die bedeutendste Sammlung zur Graphik
der Moderne in Deutschland werden von den Nationalsozialisten über 800 Arbeiten als »entartet«
konfisziert. Dieser Bildersturm trifft ebenso rund 100 weitere deutsche Museen mit dem Verlust
von insgesamt etwa 21¿000 Werken der modernen Kunst von denen ein Teil in der diffamierenden
Wanderausstellung »Entartete Kunst« über mehrere Jahre im ganzen Land gezeigt wird. Dennoch
verblieben dem Berliner Kupferstichkabinett einige Hundert der verfemten Werke - darunter
Hauptblätter von Ernst Ludwig Kirchner und seinen »Brücke«-Gefährten Erich Heckel Karl
Schmidt-Rottluff Max Pechstein und Otto Mueller aber auch von Emil Nolde Max Beckmann Ernst
Barlach Wilhelm Lehmbruck Pablo Picasso Wassily Kandinsky - und zwar deshalb weil der
zuständige Kustos Willy Kurth (1881-1963) mit bewundernswerter Zivilcourage und wagemutigen
Tricks den Zugriff der NS-Beschlagnahmekommission unterlief. Erstmals wird dieser
deutschlandweit einzigartige Vorgang detailreich beleuchtet und gewürdigt. Die Teilung der
Berliner Staatlichen Museen nach dem Zweiten Weltkrieg in Ost- und Weststandorte die damit
verbundene willkürliche Trennung von Künstlerkollektionen und Erwerbungsunterlagen zudem der
Kriegsverlust der Geschäftsakten des Kupferstichkabinetts verhinderten bis zur
Wiedervereinigung Deutschlands eine gültige Aufarbeitung des historischen Geschehens.
Inzwischen wurden neue Dokumente zugänglich die auch einen Einblick in die museumsinterne
angespannte Situation zwischen dem systemkonformen Direktor des Kabinetts der nie etwas von
der Rettungsaktion erfahren hat und dem antifaschistischen Kustos Kurth ermöglichen. Nach dem
Ende des Zweiten Weltkriegs trat Kurth nicht in den regulären Ruhestand sondern übernahm die
Leitung der Schlösser und Gärten von Sanssouci sowie eine Professur für Kunstgeschichte an der
Humboldt-Universität zu Berlin bis zu seinem Tod 1963. Ein Beitrag von Jürgen Becher ist diesem
Wirken Kurths nach Kriegsende gewidmet. Das Buchprojekt wurde initiiert und finanziert von der
Ferdinand-Möller-Stiftung.