Band 33. Tragödie. Prinz Hamlet ist von der Universität Wittenberg an den dänischen Königshof
zurückgekehrt: Sein Vater war überraschend gestorben und dessen Bruder Claudius der neue
König hat Gertrud Hamlets Mutter bald darauf geheiratet. Hamlet ist von diesen Ereignissen
getroffen und angeekelt und verweigert sich der Feierstimmung. Hamlets Freund Horatio glaubt
in der Nacht auf den Schlossmauern den Geist des toten Königs gesehen zu haben und tatsächlich
erscheint auch Hamlet der Geist seines Vaters und bestätigt ihm was er bereits geahnt hat:
Sein Vater wurde von Claudius betrogen und ermordet. Der Geist beauftragt Hamlet den Mord
unter Schonung der Mutter zu rächen. Hamlet nimmt nun zum Schein ein wunderliches Wesen an. Er
spricht scheinbar zusammenhanglos doppeldeutige Sätze in denen sowohl Provokation als auch
Ekel vor der Welt anklingen. Claudius beobachtet argwöhnisch Hamlets seltsames Benehmen doch
sein Oberkämmerer Polonius erklärt das eigenartige Verhalten mit Hamlets unerfüllter Liebe zu
seiner Tochter Ophelia. Claudius lässt seinen Neffen von dessen Jugendfreunden Rosenkranz und
Güldenstern überwachen und Polonius arrangiert ein Gespräch zwischen Hamlet und Ophelia das
er und der König belauschen. Als Hamlet bemerkt dass ihn Ophelia nur aushorchen will steigert
er sich wiederum in verwirrende Reden. Eine reisende Schauspieltruppe gibt Hamlet die
Gelegenheit Claudius eine Falle zu stellen. Der Prinz lässt die Schauspieler ein Stück
aufführen in dem ein König auf gleiche Weise wie Hamlets Vater ermordet wird und der Mörder
dessen Frau für sich gewinnt. Noch ehe das Spiel zu Ende ist bricht Claudius es an der
entlarvenden Stelle abrupt ab. Nun gibt es für Hamlet keine Zweifel mehr an der Schuld des
Onkels. Dennoch zögert er Claudius zu töten. Anschließend aber bemerkt er dass auch ein
Gespräch das er mit seiner Mutter führt belauscht wird und er tötet mit einem Stich durch
die Tapete den Spitzel. Es ist Polonius nicht wie der Prinz annahm der König. Claudius will
nun Hamlet rasch und für immer loswerden. Er überträgt ihm eine Mission nach England
Rosenkranz und Güldenstern sollen ihn auf der Reise begleiten. Sie führen einen Brief mit der
den Auftrag enthält Hamlet in England zu töten. Doch unterwegs entdeckt Hamlet sein
Todesurteil und schreibt es auf Rosenkranz und Güldenstern um. Nach Dänemark zurückgekehrt
wird er Zeuge von Ophelias Begräbnis die im Wahnsinn in den Fluss gegangen ist. Vor dem Grab
kommt es zu einem Kampf zwischen Hamlet und Laertes dem Bruder der Ophelia. Die Kontrahenten
werden getrennt das Duell soll aber vor dem gesamten Hof nachgeholt werden. Der König der mit
Mühe den Aufruhr bändigen konnte den Laertes wegen der Ermordung des Polonius ausgelöst hatte
will Laertes nun als Werkzeug gebrauchen um Hamlet endgültig zu beseitigen. Die Degenspitze
des Laertes wird auf seinen Rat vergiftet. Außerdem stellt er noch einen Becher mit vergiftetem
Wein bereit. Während des Duells trinkt die ahnungslose Königin aus diesem Giftkelch. Beim Kampf
wird Hamlet von Laertes leicht getroffen in der Hitze des Gefechtes wechseln beide die Waffen
und Hamlet verwundet Laertes mit dem vergifteten Degen. Als die Königin tot zu Boden sinkt und
der sterbende Laertes die Intrigen des Königs aufdeckt findet Hamlet - ebenfalls sterbend -
endlich die Kraft Claudius zu töten. Das Erbe Hamlets tritt der junge kriegerische Prinz von
Norwegen Fortinbras an. »Wir kennen diesen Hamlet wie wir unser Gesicht kennen« hat
Heinrich Heine mehrdeutig formuliert. Kaum eine Dichtung hat derart die Fantasie der
Kommentatoren angeheizt und kaum eine Dichtung dürfte so unterschiedlich ausgelegt worden sein.
So mag die Ansicht zutreffen der gesamte Reichtum von Shakespeares Tragödie könne nie an
einem Theaterabend ausgelotet werden dafür aber ermögliche die Bühne in einer Hinsicht
Bereicherung: die Bereicherung nämlich um die jeweilige Zeit in der das Werk gespielt wird.
Jede Epoche sucht im Hamlet nach ihren eigenen Zügen für jede spiegelt er das eigene Gesicht
die eigenen Möglichkeiten das eigene Scheitern. Es geht um Politik und Moral um Gewalt und
Freiheit und um die letzten Dinge des Lebens es geht um Liebe um das Böse und um die
Beziehung zwischen Denken und Handeln. Hamlet ist ein Kriminalstück ein Familiendrama eine
großartige psychologische Studie eine politische philosophische metaphysische Tragödie.
Aber was ist die Titelfigur? Ist Hamlet der Intellektuelle der sich mit seinem Denken eine
Barriere vor das Handeln stellt? Oder ist er der geistig aktive politisch
verantwortungsbewusste Mensch der unter Prüfung seines Gewissens langsam aber stetig auf die
Tat zugeht? Oder ist er nach Goethe der Jüngling dem »eine große Tat auf eine Seele gelegt
die der Tat nicht gewachsen ist«? Von einigen Grundzügen kann jede Interpretation ausgehen: Man
sieht in Hamlet einen jungen Mann in seinem ersten tiefen Erschrecken vor der Welt. Der Protest
gegen das Böse ist auch in seiner scheinbar passivsten Verzweiflung lebendig gegen jenes Böse
an dem er selbst seine Mutter seine Geliebte beteiligt sieht und bei dessen aktiver Bekämpfung
sich ihm sein Denken sein Gefühl sein Gewissen in den Weg stellen. Hamlet nimmt die Rolle in
die er gezwungen wird zwar an aber er ist ein anderer als seine Rolle er überragt sie. Auf
der Bühne werden aus der Fülle der Dichtung immer wieder einzelne Gedanken zum Grundthema
genommen. Leopold Jessner baute in seiner Berliner Inszenierung 1926 auf »Es ist etwas faul im
Staate Dänemark« und zeigte Hamlet als anarchischen Arbeiter in einem morschen Hofstaat voll
Falschheit und hohlem Zeremoniell. Im Ostblock nahmen Aufführungen »Dänemark ist ein
Gefängnis« zum Ausgangspunkt der Demonstration eines Machtsystems der Bespitzelung und
Unterdrückung. Die Frage »Sein oder Nichtsein« wurde von Peter Zadek 1977 in Bochum weniger
metaphysisch gestellt sondern eher auf die Körperlichkeit mit dem Entsetzen vor dem
Sterbenmüssen bezogen. Er zeigte wie Menschen bei lebendigem Leib das Leben ausgetrieben wird
ließ Entzug von Liebe Verstrickung in Lüge Manipulation von Menschen als Abbild der
Zerstörung von Lebendigkeit erkennen. Eine wesentliche Frage kann allerdings auch die Frage
nach Fortinbras sein. Wer ist dieser kriegerische bedenkenlose junge Mann der das Erbe in
Dänemark antritt? Das blinde Schicksal der Sieg der Gerechtigkeit der neue starke Mann? Wem
wurde in diesem Drama der Weg bereitet? Zweisprachige Ausgabe mit Anmerkungen des Übersetzers
Bericht aus der Übersetzerwerkstatt und einem einführenden Essay von Manfred Pfister.