Die Werte oder Wertvorstellungen die wir zwei bis drei Jahrhunderte lang hatten sind mehr
oder weniger verschwunden. Ich glaube dass meine Eltern genau so viele emotionale
Schwierigkeiten mit ihrer Elternrolle und mit uns Kindern hatten wie die Eltern heute aber
wenn es um Werte ging - also um die Frage was macht man wenn dieses oder jenes passiert -
war es eigentlich ganz einfach. Sie konnten sich mit der Nachbarin unterhalten mit der
Schwester dem Bruder oder mit meinen Lehrern und die hatten alle irgendwie dieselbe Meinung.
Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern dass meine Eltern und meine Lehrer je gestritten
hätten. Wenn meine Eltern meinten ich wäre ein schlechtes Kind dann meinten meine Lehrer das
auch und so war es dann auch. So etwas gibt es heute kaum - die armen Lehrer! Die
Wertvorstellungen meiner Eltern und der Eltern meiner Freunde waren ganz einfach: In unserer
Familie machen wir was man macht und wir machen nicht was man nicht macht. So war das. Heute
gibt es kein man mehr. Darüber können wir natürlich trauern und sagen dass wir etwas ganz
Wichtiges verloren haben. Doch ich denke dass einige der Wertvorstellungen die wir damals
hatten nicht besonders konstruktiv waren. Als Paare Partner oder Eltern haben wir heute
andere Ziele. Eltern wenden sich an sogenannte Experten und fragen: Wie macht man das? Mein
Kind will kein Gemüse essen was mache ich? Mein Kind will nicht schlafen was mache ich? Mein
Kind will seine Hausaufgaben nicht machen was mache ich? Mein fünfzehnjähriger Sohn kommt
abends nicht nach Hause was mache ich? Ich denke wir wissen alle dass es solche Antworten
nicht wirklich gibt. (...) Ich glaube als Eltern muss man sich fragen wie das eigene Gefühl
ist. Und wenn man das Gefühl hat jetzt ist es genug oder jetzt ist es ein bisschen zuviel
sollte man versuchen aufzuhören. Man kann auch seinen Partner fragen oder man kann - wenn man
wirklich Mut hat - mit diesem Diktiergerät herumlaufen. Aber das sollte man sich dann nur so
drei Minuten am Stück anhören und nicht länger. Jesper Juul