In einer Zeit in der Verschwörungstheorien wieder Hochkonjunktur haben sich Vorurteile und
Fremdenhass hartnäckig behaupten und der Mensch die Grenzen des Wachstums in Gestalt des
Klimawandels bereits deutlich spürt drängt sich eine philosophische Frage geradezu auf: Wie
lässt sich die offenkundige Diskrepanz zwischen Intelligenz - der Fähigkeit Einsicht in die
Dinge zu erlangen - und Vernunft - der Fähigkeit nach dieser Einsicht zu handeln - erklären?
Jochen Dubiel sucht die Antwort nicht auf empirische Weise indem er sich aus geschichtlicher
psychologischer soziologischer oder ökonomischer Perspektive mit den verschiedenen
Ausprägungen der Irrationalität auseinandersetzt sondern verschiebt den Fokus auf die
Metaebene in der das Denken selbst Gegenstand des Denkens wird. Dabei arbeitet er im Rekurs
auf Semiotik zunächst die Grundvoraussetzung des Denkens heraus: Es findet im 'leeren
Universum' der Sprache statt die über den Dingen zu schweben scheint. Bar jeglicher Anschauung
bietet es uns zwar wenig Orientierung stattet uns aber zugleich mit einem vermessenen
Selbstverständnis der Erhabenheit über die empirische Welt aus. Von dieser Prämisse des Denkens
unterscheidet Dubiel mithilfe von Epistemologie und Hermeneutik sodann die Gesetze des
angewandten Denkens das sich der empirischen Welt wieder annähern will in welchem die Empirie
jedoch allzu häufig zum Spielball dieses vermessenen Selbstverständnisses wird. Vor dem
Hintergrund dieser Analyse erscheinen Rausch Flucht in religiöse Paranoia Xenophobie
rücksichtslose Selbstsucht oder wissenschaftsfeindlicher Verschwörungsglauben als perfide
Angebote an das Subjekt die durch die Bedingung des Denkens gesteckten Grenzen scheinbar zu
überschreiten. Auf diese Weise kristallisiert sich die paradox anmutende Grundthese des Textes
als äußerst schlüssig heraus: Des Menschen Anfälligkeit für die Lockrufe der Irrationalität ist
in der Architektur des Denkens bereits angelegt. Aber die Voraussetzung des Denkens bietet
zugleich die Möglichkeit sich dagegen geistig zu wappnen und sein Handeln in Reflexion dieses
Paradoxes zu gestalten.