Seit es eine kritische Geschichtsschreibung zu »Deutsch-Südwestafrika« gibt ist mit Blick auf
die deutschen Pazifizierungskriege' gegen Herero und Nama (1904-1908) von 'Genozid' die Rede.
Während in der akademischen Debattekeine Zweifel bezüglich des 'Ob' bestehen liegt
hinsichtlich des 'Wie?' allerdings noch Manches im Dunkeln. Auf der Grundlage zum Teil noch
unbekannter Quellen etwa des handschriftlichen »Kriegstagebuchs« des berüchtigtenKommandeurs
der südwestafrikanischen Schutztruppe Generalleutnant Lothar von Trotha liefert die
vorliegende Studie eine Rekonstruktion des Krieges zwischen Herero und Deutschen und legt dabei
ihr besonderes Augenmerk auf die Entfesselung genozidaler Gewalt. Dabei schränkt sie die im
strengen Sinne genozidale Phase des Krieges gegenüber geläufigen Darstellungen nicht
unerheblich ein. Die Studie will zeigen dass und inwiefern die geläufige an einem obsoleten
Genozidbegriff orientierte Sicht korrekturbedürftig ist und sich die genozidale Intention erst
im Zuge des Gewaltprozessesselbst bildete. Sie entwickelte sich im Laufe eines Feldzuges der
entgegen der üblichen Sicht eben nicht planmäßig geschweige denn erfolgreich verlief sondern
von Fehlschlägen geprägt war. Dieser Umstand war für eine militärische »victory culture« wie
das Deutsche Reich nur schwer hinzunehmen - und eben deswegen von entscheidender Bedeutung für
die genozidale Eskalation die im Zeichen einer »Scham-Wut«-Dynamik (Thomas J. Scheff) stand.
Orientiert an der »neueren Gewaltforschung « (Trutz von Trotha) liefert die Studie eine
»dichte Beschreibung « des Gewaltprozesses. Dabei nimmt sie verschiedene Akteursgruppen deren
spezifische Handlungslogiken und Wechselwirkungen in den Blick und macht somit klar dass das
Gewaltgeschehen sehr viel stärker von Kontingenz geprägt war als gemeinhin angenommen wird.
Darüber hinaus will sie zum Verständnis kolonialer Herrschaft und von Siedlergesellschaften
beitragen aber auch militärhistorische Zusammenhänge beleuchten indem sie Konzepte wie
'Vernichtungskrieg' und 'Vernichtungsschlacht' zu schärfen sucht.