Die neue rechte Bewegung in Deutschland ist ein ambivalentes Phänomen: Sie beruft sich
einerseits auf zentrale Werte der modernen Gesellschaft - etwa Gewaltfreiheit Menschenwürde
und Grundrechte - vertritt andererseits jedoch ein kollektivistisches Ordnungsverständnis das
sich am ethnisch homogenen Volk orientiert. Die vorliegende Studie analysiert diese Ambivalenz
auf der Basis einer mehrjährigen ethnographischen Feldforschung. Anhand teilnehmender
Beobachtungen informeller Gespräche und dokumentarischer Analysen rekonstruiert Johanna
Fröhlich die feldinternen Bedeutungsstrukturen Affektordnungen und Zukunftssemantiken durch
die sich bei den neurechten Akteur:innen das Erleben kollektiver Bedrohung das Pathos des
Opfer-Seins und die Idee eines 'leidenden Volkes' miteinander verschränken. So kann die im
Zentrum der Arbeit stehende Frage beantwortet werden wie sich ebenjene Akteur:innen zugleich
als Teil der modernen Ordnung verstehen und eine alternative normative Ordnung etablieren. Die
Arbeit kombiniert rekonstruktive Methoden mit einer reflexiven Sozial- und
Gesellschaftstheorie. Auf dieser Grundlage entwickelt sie ein theoretisch innovatives
Verständnis rechter Vergesellschaftungsformen als sakralisierte Verfahrensordnungen der Gewalt.
Diese stabilisieren sich nicht allein über ihre politische Ideologie sondern zudem über
affektive Zugehörigkeit leiblich vermittelte Wahrheitserfahrungen und temporale Kohärenz.
Damit wird die neue rechte Bewegung nicht nur als politische sondern als soziale Bewegung
ernst genommen - und zugleich als Herausforderung für das Selbstverständnis moderner
Gesellschaften sichtbar gemacht. Das Buch leistet einen Beitrag zur Gewalt- und
Rechtsextremismusforschung zur interpretativen Sozialforschung sowie zur Gesellschaftstheorie
und eröffnet eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Gewalt Kollektivität und Moderne -
jenseits moralischer Bewertung ohne auf kritische Distanz zu verzichten.