Das anonym 1782 1783 im 32. Stück des Tiefurter Journals handschriftlich publizierte
sechsseitige Fragment hat - ungeachtet seiner bis heute nicht zweifelsfrei bestimmbaren
Autorenschaft - eine außergewöhnlich prominente Rezeptionsgeschichte erfahren die von Carl
Gustav Carus über Alexander von Humboldt Sigmund Freud Wilhelm Dilthey Rudolf Steiner bis zu
Werner Heisenberg reicht. Wenngleich die Autorenschaft des Aufsatzes fraglich bleibt so
besteht doch kein vernünftiger Grund zu der von Rudolf Steiner wiederholt verfochtenen Annahme
dass dieser von Goethe stamme denn Charlotte von Stein schreibt am 28. März 1783: Goethe ist
nicht der Verfasser und Goethe selbst betont am 20. Januar 1783 gegenüber Ludwig von Knebel
ebenfalls: der Aufsatz im Tiefurter Journal [...] ist nicht von mir. Mit seiner erstaunlichen
Rezeptionsgeschichte stellt das Fragment ein Kuriosum dar: Ein Aufsatz der nicht von Goethe
stammt erfährt seine Nobilitierung durch Goethes sogenannte Erläuterung nachträglich verfasst
und publiziert in der Ausgabe letzter Hand 1833. Nachfol- gende Editionen präsentieren diesen
nicht von Goethe verfassten Aufsatz in zahlreichen Goethe-Werkausgaben obwohl Goethes
Erläuterung wie Jutta Eckle (die Herausgeberin der Leopoldina-Ausgabe von Goethes Schriften
zur Naturwissenschaft) bemerkt den aphoristischen Aufsatz weder im Detail in den Blick nimmt
noch einer umfassenderen Betrachtung würdigt. Diese Kuriosität könnte die Frage aufwerfen
welche und wie viele Aufsätze der zeitgenössischen Naturforschung und Naturbeschreibung
ebenfalls Goethes Anerkennung fanden ohne deshalb den Weg in eine der Goethe-Werkausgaben
gefunden zu haben. Die erstmalige Faksimile-Edition reproduziert den Aufsatz nach der
Originalhand- schrift des Tiefurter Journals erläutert seine Rezeptionsgeschichte und stellt
Übereinstimmun- gen sowie Abweichungen zu ausgewählten naturwissenschaftlichen und poetischen
Werken Goethes dar.