Das Verhältnis von Stadt und Kirche zählt zu den zentralen Themen der
reformationsgeschichtlichen Forschung. Während der Fokus der meisten Darstellungen auf der
Einführung der Reformation liegt ist es ein wichtiges Anliegen der vorliegenden Darstellung
jenseits der herkömmlichen Epochengrenzen sowohl die spätmittelalterliche Ausgangslage als auch
die weitere Entwicklung in der Frühen Neuzeit einzubeziehen. Am Beispiel der Stadt Zittau
können dabei unter anderem durch die detaillierte Auswertung der Kirchenrechnungen
Kontinuitäten und Brüche vor allem im religiösen Stiftungswesen aufgezeigt werden. Seit den
1520er Jahren standen sich in Zittau der nun evangelisch gewordene Stadtrat und der am alten
Glauben festhaltende König von Böhmen als Stadtherr gegenüber. In der langwierigen
Auseinandersetzung um die Verfügung über die Stiftungen konnte sich der Rat fast vollständig
gegen das habsburgische Königtum durchsetzen.Die kirchliche Hoheit des lutherischen Rates und
das Erlöschen der Konvente unter anderem der Franziskaner und der Johanniter bedeuteten
allerdings keineswegs das Ende aller altgläubigen Praktiken im Zusammenhang mit den Stiftungen.
So lassen sich zahlreiche Kontinuitäten in der Liturgie und in der Frömmigkeitspraxis vom
Spätmittelalter bis in die Frühe Neuzeit nachweisen. Anders als in Territorien in denen der
Landesherr das Kirchenregiment ausübte und das Kirchenwesen im Zuge der Reformation
obrigkeitlich normierte kann man die Zittauer Reformation deshalb eher als einen
längerfristigen Transformationsprozess beschreiben. Dieses Phänomen wurde für die Länder der
Böhmischen Krone bislang kaum beleuchtet. So bietet die vorliegende Studie nicht nur die erste
umfassende Darstellung der kirchlichen Verhältnisse in Zittau im Übergang vom Mittelalter zur
Neuzeit. Vielmehr liefert sie auch einen wichtigen Baustein für weitere Forschungen zur
Verfügungsgewalt über die kirchlichen Stiftungen im Spannungsfeld von Landesherrschaft und
städtischer Gesellschaft.