Über viele Jahrzehnte hat in der Geschichtsschreibung eine Perspektive dominiert in der die
Jahre von 1918 bis 1933 unter dem Blickwinkel des letztendlichen Scheiterns der Weimarer
Republik betrachtet wurden und ganz maßgeblich konzentrierte sich der Forschungsprozess dabei
auf jene Entwicklungen die sich als Ursachen für das Abgleiten Deutschlands in die NS-Diktatur
herausarbeiten ließen. Das zusammenfassende Urteil über die Weimarer Republik betonte
folgerichtig zumeist deren erkannte Schwächen und machte vor allem deren politische Fragilität
wie insgesamt eine Instabilität der inneren Verhältnisse für den Untergang der Republik
verantwortlich.Nun nach einem Jahrhundert hat sich dank vieler weiterführender
Forschungsergebnisse dieses Bild deutlich aufgehellt und damit einen Perspektivenwechsel
eingeleitet - denn eine Herangehensweise die die schwierigen Ausgangsbedingungen nach dem Ende
des verlorenen Krieges mit einem als erdrückend wahrgenommenen Friedensvertrag in Rechnung
stellt entwickelt auch neue Maßstäbe bei der Beurteilung jener Prozesse und Ereignisse die
mit dem erstmaligen Versuch hierauf die neue demokratische Staatsform aufzurichten und im
Alltag auszufüllen einhergingen. Der Begriff des gespaltenen Freistaats macht dabei auf einen
charakteristischen Grundzug aufmerksam der sich durch überraschend viele Sphären der damaligen
Gesellschaft zog.Die in diesem Sammelband vereinten Aufsätze stellen sich der Aufgabe in einer
Bilanz dieser ersten zwölf Jahre des sächsischen Freistaates den Zugang für diese neue
Betrachtung zu öffnen und mit repräsentativen Fallstudien aus ganz unterschiedlichen Bereichen
der Gesellschaft den Blick dafür zu schärfen wie vielgestaltig und facettenreich dabei
zuweilen auch direkt widersprüchlich die Entwicklungen in der sächsischen Gesellschaft
verlaufen sind. Das Buch bedeutet eine qualitativ neue Stufe in der Historiographie über die
Weimarer Jahre Sachsens und regt vertiefende Untersuchungen namentlich auf der Ebene der
regionalen Studien nachdrücklich an.