Fast während der gesamten ersten drei Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland hat die CDU die
Politik bestimmt. Sie stellte mit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard die ersten Bundeskanzler
und machte die 'Soziale Marktwirtschaft' zur gesellschaftspolitischen Grundlage ihrer Politik.
Nach Wahlniederlagen 1969 und 1972 wollte sie den Ruf als rückständige oder gar reaktionäre
Partei loswerden. Unter Leitung von Richard von Weizsäcker und Beteiligung der Generalsekretäre
Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler sowie dem Einfluss der CDU-Sozialausschüsse unter Norbert
Blüm wurde 1978 ein Programm beschlossen das eine erstaunlich offene Antwort auf den
gesellschaftlichen Wandel der 1960er- und 1970er-Jahre darstellte. Mit dem Machtinteresse
Helmut Kohls (1930-2017) wird diese Offenheit in eine 'geistig moralische Wende' transferiert
die dem Marktradikalismus Tür und Tor öffnet. Der 'Kanzler der Einheit' und seine Getreuen
verstrickenallerdings die Partei dann in den Flick-Spenden-Skandal. Das Ende der Ära Kohl und
der Wahlsieg von Rot-Grün 1998 sind Anlass für eine weitere Neuorientierung. Die Wahl von
Angela Merkel steht zugleich für eine Öffnung in Richtung einer moderneren konservativen Partei
der rechten Mitte. Das Trauma der Wahlniederlage von 2021 die Wirren um Pateivorsitz und
Kanzlerkandidatur münden in der Wahl von Friedrich Merz zum Parteivorsitzenden. Seitdem ist
wieder deutlich rückwärtsgewandte konservative Profilierung angesagt. Es kommt zu einem
'Rechtsruck der Mitte'. Vertreter der Schwesterpartei CSU fordern gar 'eine konservative
Revolution'. Wie tragfähig ist diese weitere Neuorientierung vor dem Hintergrund der Erosion
des christlichen Bürgertums die sich in massiven Kirchenaustritten ausdrückt? Gelingt es CDU
ud CSU mit der konservativen Radikalisierung in Zeiten des Rückgangs der 'Volksparteien' neue
Wähler*innenschichten dauerhaft an sich zu binden? Und bewahren uns radikal-konservativ
Unionsparteien vor den Rechtsradikalen der AfD?