Das brisanteste politische Spektakel des vergangenen Jahrhunderts waren die
Nationalsozialistischen Parteitage Hitler-Deutschlands in Nürnberg. Die Schilderungen der
Situation im Deutschland der Dreißigerjahre des finnischen Schriftstellers und
Modernismuskritikers Olavi Paavolainen (1903-1964) liegen nun erstmals in deutscher Übersetzung
vor - genau 80 Jahre nach deren Veröffentlichung in Finnland. Insbesondere weil sie einerseits
von Bewunderung verklärt andererseits aber mit tiefen Zweifeln behaftet sind sind
Paavoleinens Beobachtungen höchstinteressant.Auf Einladung der Reichsschrifttumskammer reiste
Paavolainen 1936 nach Travemünde in das Deutsch-Nordische Schriftstellerhaus und besuchte
zusammen mit anderen skandinavischen Schriftstellern die Nationalsozialistischen Parteitage in
Nürnberg. Seine Reportage Kolmannen valtakunnan vieraana [Zu Gast im Dritten Reich] bezeichnete
er selbst als Rhapsodie denn es handelte sich um eine subjektive erlebnishafte Schilderung
mit Quellenmaterial aus örtlichen Veröffentlichungen Zeitungen und Reden. Das Buch wurde in
Finnland sofort zu einem umstrittenen Bestseller. Es unterschied sich von anderen Darstellungen
des Nationalsozialismus darin dass es nicht sonderlich deutschfreundlich aber auch keineswegs
deutschfeindlich war. Paavolainens Erfahrungen waren zwiespältig: anfängliche Begeisterung
wandelte sich zu exakten Beobachtungen die die verdeckten Gefahren der nazistischen Macht
erkannten. Er ahnte manches konnte die Konsequenzen aber nicht klar absehen. Paavolainen
beobachtete und übermittelte seine Eindrücke und Erlebnisse kritisch indem er die Züge des
verweltlichten Glaubens und den ästhetischen die Augen erfreuenden und erstaunlichen
Show-Charakter des Spektakels scharf abzeichnete. Seine Rhapsodie birgt eine ungewöhnliche
Interpretation der unheilverkündenden Ereignisse in der widersprüchlichen Historie Deutschlands
oder mit den Worten Paavolainens 'des vielleicht größten Wendepunktes in der Geschichte
Europas'. Eine Reihe satirischer Passagen verwehrten Paavolainen später den weiteren Zugang ins
Deutsche Reich.Olavi Paavolainen wurde 1903 in Kivennapa 60 km von Petersburg entfernt
geboren. Er studierte ab 1921 die Ästhetik und Literatur an der Universität Helsinki. Mit der
Zeit wuchs sein Interesse an den neuen europäischen Strömungen und Machtfaktoren deutlich.
Deutschland und die Sowjetunion deren Ideen einer völlig neuartigen antibürgerlichen
Gesellschaft ihn anzogen waren Mittelpunkt dieses Interesses. Wie es sein Biograf Riikonen
festhält: Paavolainen prüfte alles was sich in der Zeit bewegte und ereignete derartig
intensiv dass er an Schlaflosigkeit litt. Zugleich brachte er seine Landsleute dazu die
Ereignisse und ideologischen Gegensätze in der Welt kritischer zu sehen.