In der Textstruktur des Rechtsstaats hat die richterliche Entscheidungsbegründung die Aufgabe
demokratische Legitimität vom Gesetz auf das konkrete Urteil zu übertragen. Christensen und
Kudlich gehen in drei großen Schritten der Frage nach wie die Begründung dieser Aufgabe
gerecht wird: In einem historischen Teil wird zunächst gezeigt wie die Rechtswissenschaft die
Rolle der Begründung versteht. Dieses Verständnis ist in sich gespalten. Die herkömmliche
Auffassung versteht den Legitimationstransfer semantisch und will die Entscheidung mittels
Bedeutungsregeln aus dem Gesetz ableiten. Neuere Ansätze schlagen einen pragmatischen
Relevanzhorizont vor wonach der Legitimationstransfer durch die Argumentation im Verfahren
erfolgen muß. In einem kritischen Teil wird das Selbstverständnis der Juristen mit den
Nachbarwissenschaften konfrontiert: Die Linguistik bestätigt die Auffassungen die betonen daß
die Sprache oder Semantik der Gesetze allein die Bestimmtheit der Entscheidung nicht vorgeben
kann. Bestimmtheit gewinnt ein Text erst durch die Verständigungsanstrengung von Personen in
einer Situation. Damit kommt das Gerichtsverfahren in den Blick das mit Hilfe der
soziologischen Diskursanalyse als Konflikt um Sachverhaltserzählung und Bedeutung des Gesetzes
rekonstruiert wird. Eine Ergänzung liefert die philosophische Argumentationstheorie die
Struktur und Geltung von Argumenten präzisiert. Der systematische Teil versteht sich als
exemplarische Explikation des impliziten Wissens der Praxis über die Begründung: Ansatzpunkt
sind die gesetzlichen Vorgaben von Verfassung und einfachem Recht. An diesen wird das
methodische Vorgehen der Praxis gemessen. Die Strukturierung erfolgt auf den drei Ebenen
einzelner Argumente vollständiger Entscheidungen und ganzer Entscheidungsketten. Eine solche
Theorie der Praxis führt zur Verschiebung der Fragestellung: Statt nur darzustellen wo das
Recht gefunden wurde muss die Begründung darlegen wie das Recht gemacht wird. Nur wenn die
Begründung den besseren Argumenten den Vorzug gibt gelingt der Legitimationstransfer.