Die literarische Wiederentdeckung: der hellsichtige Blick eines Intellektuellen auf die Jahre
1933-1939 »Es war vor allem nicht leicht inmitten eines grandios aufgeblähten Machtsystems
zu leben inmitten eines geistigen Terrors einer phantastischen Lügenhaftigkeit innerlich
abseits bemüht sich nicht blenden zu lassen auch nicht von scheinbaren Vorzügen und
Erfolgen.« Hermann Stresau arbeitet als Bibliothekar in Berlin als 1933 die Machtergreifung
durch die Nationalsozialisten erfolgt. In seinen Tagebüchern die der in Amerika geborene
Intellektuelle mit der Machtergreifung wieder aufnimmt entfaltet sich ein intimes Bild der
Vorkriegszeit. Ausnehmend klarsichtig schildert er wie die neuen Machthaber mit der ihnen
eigenen Mischung aus geschickt eingesetzter Propaganda inszenierten Machtdemonstrationen der
skrupellosen Ausübung von Gewalt und einer gut organisierten Bürokratie die Herrschaft
absicherten und Stück für Stück ausweiteten. Doch genauso sehr interessiert sich Stresau für
sein Umfeld. Reflektiert beschreibt er das Verhalten derjenigen die sich aus Überzeugung oder
Karrieregründen dem System andienen schildert das Mitläufertum ebenso wie die Gedanken der ihm
Gleichgesinnten die sich den neuen Verhältnissen verweigern. So entsteht ein unvergleichliches
Zeitpanorama und Psychogramm der Deutschen. Die Tagebücher wurden von den Herausgebern Peter
Graf und Ulrich Faure wiederentdeckt und reichen von 1933-1945. Ein zweiter Band der die
Kriegsjahre umfasst erscheint im Herbst 2021. Die Herausgeber Peter Graf und Ulrich Faure zur
Editionsgeschichte Die Originaltagebücher Hermann Stresaus werden gemeinsam mit seinem
weiteren Nachlass im Literaturarchiv Marbach verwahrt. Es sind schmucklose schwarze Kladden in
die er handschriftlich seine Beobachtungen und Gedanken niedergeschrieben hat. Aber wer darin
zu lesen beginnt spürt sofort dass dies keine rein privaten Aufzeichnungen sind hier möchte
jemand die Ereignisse zwischen 1933 und 1945 für die Nachwelt festhalten und Zeugnis ablegen.
Und so veröffentlichte Hermann Stresau bereits 1948 unter dem Titel »Von Jahr zu Jahr« eine
Auswahl seiner Tagebuchnotizen im Berliner Minerva Verlag. Zu früh denn so kurz nach dem Krieg
stießen seine Erinnerungen auf kein großes Echo. Und vielleicht kann dieses bedeutende
literarische Zeitdokument auch erst mit dem heutigen Abstand von mehr als 80 Jahren gewürdigt
werden. Die vorliegende Ausgabe vereint in einem ersten Band alle Eintragungen Stresaus und
kommentiert sie auch jene die er in seiner Erstveröffentlichung aus Platzgründen weggelassen
hat. Peter Graf Ulrich Faure Herbst 2020