Klagenfurter Rede zur Eröffnung der 45. Tage der deutschsprachigen Literatur mit dem Wettbewerb
um den Ingeborg-Bachmann-Preis 2021»Die Kunstkritik ist in dienende Funktion geraten.«Der
Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis ist nicht nur Anlass sondern auch ein Dreh- und
Angelpunkt in der Rede von Hubert Winkels zum Stand der Literaturkritik - nicht weil der
langjährige Literaturchef des Deutschlandfunks selbst lange Mitglied der Jury war sondern weil
der Wettbewerb in seinen Anfangsjahren Weichen für die literarische Öffentlichkeit gestellt hat
und weil sich bis heute bei diesem »Medienphänomen einer live zugespitzten performativ
zelebrierten also zwischen Schrift und Mündlichkeit oszillierenden progressiven
Universalpoesie« Kunst und Kritik begegnen und ihr jeweiliges Potential entfalten können keine
schlechten Voraussetzungen um zumindest zwei der Aspekte eines aufklärerischen Begriffs von
Literaturkritik zu erfüllen: »Kritik als übersichtliche Gesamtdarstellung alszweifelnde
Infragestellung und als begleitende Resonanz«.Winkels wirft Fragen auf (»Kann die literarische
Mündlichkeit innerhalb einer Kultur der Schrift auch eine Art fluides Medium gegen die
Monumentalität des Textes bilden?«) thematisiert das politischer gewordene Feuilleton (»Die
Angst des Kulturredakteurs vor der Kunst«) und banalisierende Tendenzen in der
Kulturberichterstattung (»Doch gegen die Banalisierung der Literatur und des Umgangs mit ihr
hilft am Ende nur die verführerische und überzeugende Entfaltung des ihr innewohnenden
Potentials.«) plädiert für Debatten über den Umgang mit den schönen Künsten in den Medien und
erinnert die eigene Zunft schließlich an eine ganz spezielle ihr eigene »Kreativitätskompetenz«
von gesellschaftlicher Relevanz: Literaturkritik als Narrationskritik.»Narrative sind mit
Theodor Lessing gesprochen sprachlich elaborierte Sinngebungen des Sinnlosen. [...] Es gibt
eine kulturelle Technik die hier Einblick und entstellenden gegebenenfalls zersetzenden
Zugriff hat über lange Zeit erarbeitet immer weiter verfeinert hoch differenziert und
äußerst flexibel im Kern von Sympathie getrieben: die Literaturkritik nämlich als
Narrationskritik.«