Als geheimnisvolles »Rotes Buch« ging es in die Literatur über C. G. Jung ein. Niemand bekam es
zu Gesicht da sein Urheber selbst verfügt hatte es nicht zu veröffentlichen. Diesem Wunsch
wurde entsprochen. Doch fast fünfzig Jahre nach dem Tod Jungs ist die Zeit gekommen um dieses
eindrucksvolle Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Über viele Jahre hielt der große
Schweizer Tiefenpsychologe C. G. Jung (1875-1961) seine Träume Visionen und Fantasien in einem
Tagebuch fest: großformatig kunstvoll und farbenprächtig - C. G. Jungs handgeschriebenes und
-gemaltes einzigartiges Vermächtnis. Interview mit Ulrich Hoerni aus dem Jahr 2009 von der
Stiftung der Werke von C.G.Jung zur Veröffentlichung des Roten Buches. -Was ist das Rote Buch?
Das Rote Buch ist ein in rotes Leinen gebundenes Buch (Format ca. 30 x 40 x 10.5 cm) in
welchem C. G. Jung ein langes Experiment mit sich selbst dokumentierte welches später als
Auseinandersetzung mit dem Unbewussten bekannt wurde. Der Inhalt besteht zum Teil aus Texten
d.h. Imaginationen (= Wachphantasien) und Reflexionen darüber zum Teil aus von Jung gemalten
Bildern. Die Texte wurden mehrfach überarbeitet und schließlich kalligraphisch in das
eigentliche Buch übertragen in der Art einer illuminierten mittelalterlichen Handschrift. Das
Rote Buch ist ein unvollendetes Werk. -Warum wird das Rote Buch erst jetzt veröffentlicht?
Obschon Jung selbst den Schritt vielleicht erwog publizierte er das Rote Buch weder separat
noch in seinen Gesammelten Werken. Hauptgrund war vermutlich dass es keinen wissenschaftlichen
sondern autobiographischen Charakter trug. Im Hinblick auf das Werk Erinnerungen Träume und
Gedanken von C. G. Jung gestattete Jung der Herausgeberin Aniela Jaffé nur die Verwendung von
Auszügen aus dem Roten Buch. Die Erben Jungs respektierten diese explizit oder implizit
geäußerten Wünsche. Nach Beendigung der Publikation der Gesammelten Werke ermöglichte eine
zunehmend psycholo-giehistorische Betrachtungsweise der Erbengemeinschaft C. G. Jung einen
neuen Zugang zum Roten Buch und damit im Jahr 2000 - nicht ohne Diskussion - dessen Freigabe
zur Publikation. -Was ist das Besondere an dem Roten Buch? Im Gegensatz zu den zumeist
wissenschaftlichen Werken in welchen sich Jung an den Regeln der sachlich-distanzierten
objektiven Betrachtungsweise orientiert dokumentiert das Rote Buch subjektive Imaginationen
persönliche Eindrücke und namentlich auch Emotionen. Die Sprache des Roten Buches ist nicht die
(wissenschaftliche) Sprache vom Anfang des 20. Jahrhunderts sondern orientiert sich an
historischen dichterischen philosophischen und religiösen Vorbildern. Auch das äußere
Erscheinungsbild des Roten Buches unterscheidet sich von allen anderen Werken Jungs . -Wie
lange hat C. G. Jung daran gearbeitet? Nach eigenen Angaben arbeitete Jung 16 Jahre lang am
Roten Buch. Fortlaufende Imaginationen sind von 1913 bis 1928 datiert das letzte
fertiggestellte Bild ebenfalls von 1928. Für die Publikation von Erinnerungen Träume und
Gedanken versuchte Jung zwischen 1957 und 1961 den Text des Roten Buches auf Grund des alten
Entwurfs fertig zu schreiben brach seine Bemühungen jedoch ab. - Welche Bedeutung hat es für
sein Werk? Jung kommentierte seine Auseinandersetzung mit dem Unbewussten (d.h. der Jahre
1913-1928) um 1958 in der Formulierung von Aniela Jaffé wie folgt: Meine gesamte spätere
Tätigkeit bestand darin das auszuarbeiten was in jenen Jahren aus dem Unbewussten
aufgebrochen war und mich zunächst überflutete. Es war der Urstoff für ein Lebenswerk. Das Rote
Buch ist das Dokument dazu. © U.Hoerni Stiftung der Werke von C.G.Jung