Mit Zukunftsvisionen liegt die bisher umfassendste Geschichte der modernen Utopie Dystopie in
der deutschsprachigen Literatur vor. Innerhalb der Spannweite von apokalyptischen und
paradiesischen Entwürfen unterscheidet Manfred Windfuhr - methodisch aufgeschlossen durch einen
intensiven kulturwissenschaftlichen und soziologischen Kommentar - vier kulturell determinierte
literarische Spielformen: christliche grüne und sozialistische Modelle sowie die dystopische
Katastrophenliteratur. Direkter oder indirekter Zeitkritik als Diagnose stehen positive oder
negative Visionen als Prognose gegenüber. Die hochpoetischen oder hochrhetorischen Modelle (bis
hin zur Science Fiction) gehören mit ihren Intentionen (Warnung Abschreckung oder positive
Motivation) zur engagierten Literatur. Manfred Windfuhr liefert eingehende Analysen von über 80
Romanen und Erzählungen sowie weitere 75 Kurzcharakteristiken. Bei aller Komplexität der
Sachverhalte ist dem Autor ein überaus gut lesbares Buch gelungen.Drei berühmte Romane von
Hesse Werfel und Kasack stehen am Anfang drei Kapitel über Dürrenmatt Arno Schmidt und Grass
bilden den Abschluss. Dazwischen erstreckt sich das Panorama der vier Grundtypen mit
faszinierenden Möglichkeitswelten - nicht nur staatlichen sondern auch kulturellen mentalen
oder Alltags-Szenarien. Entgegen verbreiteter Abwertung finden auch christliche und
sozialistische Modelle Berücksichtigung. Als besonders produktive Prognostiker erweisen sich
neben den genannten Autoren Christa Wolf Marlen Haushofer Irmtraud Morgner Ernst Jünger
Stefan Andres Carl Amery Hans Erich Nossack Volker Braun Peter Handke Günter Herburger und
Thomas Glavinic. Manfred Windfuhr geb. 1930 in Remscheid-Lennep Neugermanist 1967-1969
Professor für Neuere Germanistik in Bonn 1969-1992 in Düsseldorf Herausgeber der Düsseldorfer
Heine-Ausgabe in 16 Bänden (Hamburg 1973-1997) Bearbeiter der Bände V und VIII. Weitere
Buchveröffentlichungen: Immermanns erzählerischesWerk (1957) Die barocke Bildlichkeit und ihre
Kritiker (1966) Die unzulängliche Gesellschaft. Rheinische Sozialkritik von Spee bis Böll
(1971) Heinrich Heine. Revolution und Reflexion (2. Auflage 1976) Erfahrung und Erfindung.
Interpretationen zum deutschen Roman vom Barock bis zur Moderne (1993) Rätsel Heine (1997)
Erinnerung und Avantgarde. Uwe Johnson als Erzähler (2003) Die Düsseldorfer Heine-Ausgabe. Ein
Erfahrungsbericht (2005).