Die Zukunft die sich schon 1982 in Alain Finkielkrauts Essay (L'Avenir d'une ne¿gation)
ankündigte ist zu unserer Gegenwart geworden. Es ist längst nicht mehr der rechte
Revisionismus der die Tagespresse beherrscht und es sind mehrheitlich auch nicht mehr die ewig
Gestrigen die den singulären Charakter der europäischen Judenvernichtung wirkmächtig in
Zweifel ziehen oder leugnen. Das Geschäft des Revisionismus wird heute vielmehr von linken
Aktivisten und postkolonialen Theoretikern besorgt die nichts unversucht lassen um an der
Präzedenzlosigkeit der Shoah zu rütteln. Als Finkielkrauts Buch vor über 40 Jahren erschien
stand die Öffentlichkeit noch ganz unter dem Eindruck einer genuin rechten Holocaustleugnung.
Die Debatte um Robert Faurisson der die Existenz von Gaskammer in Auschwitz leugnete
beherrschte die Presse weit über Frankreich hinaus. Dem aufgeklärten Teil der Öffentlichkeit
scheint das Motiv hinter dem Revisionismus dabei bis heute hin klar zu sein: wer bestreitet
dass es in Auschwitz Gaskammern gegeben hat ist eines Geistes mit all jenen die diese zum
Zwecke der »Endlösung der Judenfrage« einst erbauten. Für kurzzeitige Irritation sorgte in
dieser Hinsicht zwar die linke Ikone Noam Chomsky der zu Faurissons Buch (Mémoire en défense)
im Jahr 1980 ein eigenes Vorwort beisteuerte. Doch diese Irritation blieb nur von kurzer Dauer.
Die liberale und linke Öffentlichkeit beruhigte sich umso schneller damit dass es Chomsky in
Wahrheit nur um die allgemeinere und grundsätzlichere Frage der Wissenschafts- und
Meinungsfreiheit und nicht etwa um die Holocaustleugnung gegangen sei. Doch weshalb sprang ein
antiautoritärer Linker wie Chomsky ausgerechnet für einen Holocaustleugner und sein
unantastbares Recht auf freie Meinung in die Bresche? Und wie konnte es dazu kommen dass sich
ausgerechnet der linksradikale Verlag La Vieille Taupe der sich ansonsten durch den Vertrieb
von situationistischer und antistalinistischer Literatur einen Namen gemacht hatte zum
zentralen Publikationsort des Revisionismus in Frankreich mausern sollte? Finkielkraut geht
diesen (und weiteren) Fragen in seinem Essay nach indem er die Geschichte des Revisionismus
von links zunächst bis zu dessen Wurzeln in der Dreyfus-Affäre zurückverfolgt um davon
ausgehend die Zukunft dieses Ressentiments vorwegzunehmen. Für die deutsche Debatte ist
Finkielkrauts Untersuchung dabei von besonderem Interesse weil er bereits vor dem deutschen
Historikerstreit (1986 87) die Argumente und Motive antizipierte und sezierte die noch heute
die Debatten um den Antisemitismus auf der documenta 15 den Antizionismus der Aktivisten von
Boycott Divestment and Sanctions (BDS) und die stets damit verbundenen Scheindiskussionen über
Kunst- und Redefreiheit prägen. Finkielkraut lenkt seine Aufmerksamkeit schon früh auf einen
antirassistisch und antikolonialistisch daherkommenden Antizionismus. Seine Kritik richtet sich
gegen ein Denken das wie schon der rechte Revisionismus zuvor nun allerdings von links
darauf abzielt die neue bis dahin ungekannte und unvorstellbare Qualität der »Endlösung der
Judenfrage« durch die Rückführung auf Altbekanntes und Allgemeines zu nivellieren. Ein Buch
das durch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit die einstigen Fluchtlinien einer
zukünftigen Entwicklung zeichnen wollte die in Gestalt des gängigen Antisemitismus und
Revisionismus von links heute allerdings längst Gegenwart geworden ist. Über Finkielkrauts
selbstkritische Analyse aber nicht minder polemische Kritik der 68er und des geistigen Milieus
das ihnen folgen sollte schrieb Eike Geisel schon 1982 im SPIEGEL dass sich neben ihr »die
gängigen deutschen Veröffentlichungen ausnehmen wie tranige Seminararbeiten von Leuten deren
geheimer Wunsch schon immer war Sozialarbeiter zu werden.«