Am 29. Januar 1989 fand in Berlin (West) die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin statt.
Hierbei kam es zu erheblichen Stimmenverlusten und letztlich zur Abwahl des Senats von CDU und
FDP. Der neue rot-grüne Senat aus SPD und Alternativer Liste war nach der Wahl von Walter
Momper am 16. März 1989 zum neuen Regierenden Bürgermeister erst sechs Wochen im Amt als
erneut der 1. Mai und ein damit prognostizierbar schwerer Polizeieinsatz bevorstand.Berlin
(West) war seit Anbeginn der 1980er-Jahre eine Hochburg der Hausbesetzerszene. Hierbei war der
Stadtbezirk Kreuzberg besonders herausragend. In ihm hatte sich seit Jahren eine starke
politisch linksorientierte Szene entwickelt die im bewussten Widerspruch zu den etablierten
Parteien stand. Dazu gehörte auch eine neue gewaltbereite Personengruppe die sich selbst als
Autonome bezeichnete. Die Bevölkerung von Kreuzberg war von einer hohen Arbeitslosigkeit und
wirtschaftlichem Niedergang geprägt. Deren Wohnumfeld bestand oftmals großflächig aus einer
überalterten und entsprechend nicht saniertem Gebäudesubstanz. Daraus resultierte dass in
Kreuzberg meist ärmere Bevölkerungsgruppen wohnten zu denen neben den gering verdienenden
Arbeitern auch Studenten und Migranten zählten. Die linke Politszenerie entwickelte darin ein
Eigenleben und eine Art Parallelgesellschaft worin und woraus sie ihr Unterstützerpotential
zog. Dies wirkte sich als Magnet für Gleichgesinnte aus der ganzen Bundesrepublik Deutschland
aus. Da es in Berlin (West) aufgrund des bestehenden Vier-Mächte-Status keine Wehrpflicht gab
zogen Personen gerade deshalb in diese Stadt und vor allem nach Kreuzberg.Am 1. Mai 1987 kam es
in Kreuzberg erstmalig zu erheblichen Ausschreitungen die beim Straßenfest am Lausitzer Platz
begannen. Dabei explodierte regelrecht die Stimmung und es begann ein verbissener Straßenkampf
mit der Polizei der ein ungeahntes Ausmaß an Gewalt und Zerstörung mit sich zog. Während es am
1. Mai 1988 gelang die Ausschreitungen des Vorjahres in zeitlicher und flächenmäßiger
Ausbreitung zu verringern stand der 1. Mai 1989 für die Polizei Berlin unter einer nunmehr
neuen politischen Ägide. Die Einsatzplanung der Polizei für die Revolutionäre 1.
Mai-Demonstration sah demnach vor dass der Aufzug nur mit schwachen Polizeikräften an der
Spitze und am Schluss begleitet werden sollte. Eine seitliche Begleitung insbesondere von
erkanntem autonomem Gewaltpotential sollte vorerst unterbleiben um nicht möglicherweise
provozierend zu wirken.Stattdessen sollten Polizeikräfte in den Seitenstraßen parallel zum
Aufzug mitgeführt und bereitgehalten werden. Entlang der Aufzugsstrecke erfolgten mehrfach
Sachbeschädigungen und Plünderungen durch autonome Klientel. Die herangeführten
Polizeieinheiten konnten dies nicht verhindern. Nach Ende des Aufzuges am Hermannplatz im
Stadtbezirk Neukölln strömten größere Gruppen von Gewalttätern nach Norden in Richtung
Kreuzberg. Entgegen der polizeilichen Erwartungen erfolgten gewissermaßen in einem fließenden
Übergang weitere Sachbeschädigungen Plünderungen und jetzt auch sehr gezielte Angriffe gegen
Polizeikräfte die vielerorts personell unterlegen waren. Was folgte waren erneut schwerste
Ausschreitungen in Kreuzberg die das Ausmaß der Sachschäden aber insbesondere die Anzahl der
verletzten Polizeibeamten der beiden Vorjahre bei weitem überstiegen. Es kam mehrfach zu
Einsatzsituationen wo einzelne Beamte bereits die Schusswaffe in der Hand hielten und viele
sich in unmittelbarer Lebensgefahr befanden. Der Polizeieinsatz anlässlich der Ausschreitungen
am 1. Mai 1989 findet nur in den Onlinearchiven von manchen Zeitungen in linker Szeneliteratur
und in wenigen Büchern eine Erwähnung. Eine detaillierte Darstellung der Geschehnisse fehlte
bisher. Dieses Buch stellt sich dieser Aufgabe und zeigt in sechs Kapiteln wie es zu diesem
Polizeieinsatz kam einen zeitlichen Ablauf der Ereignisse und welche Erfahrungen die Polizei
daraus entnahm. Ergänzt wird die Einsa