Der Einfluss von Norbert Elias als soziologischer Klassiker ist unbestritten. Dieser Status
verdankt sich in erster Linie seiner Theorie vom Zivilisationsprozess. In dessen Geist steht
auch Elias' 1982 erschienenes und in mehrere Sprachen übersetztes Buch Über die Einsamkeit der
Sterbenden in unseren Tagen. Dort widmet er sich der Frage wie Menschen der Endlichkeit des
Lebens gegenüberstehen unter welchen Bedingungen sie sterben sich voneinander verabschieden
umeinander trauern und sich aneinander erinnern. Im Zentrum steht die Einsicht dass es immerzu
die Lebenden sind die das Sterblichkeitsproblem zu bewältigen haben. Menschen in zivilisierten
Gesellschaften tun dies Elias zufolge indem sie Sterben und Tod verdrängen. Als schambesetztes
Thema werde das Lebensende in alltäglichen Gesprächssituationen zumeist ausgeblendet ferner
haben sich Sterbeprozesse im Zuge sozialer Ausdifferenzierung vom heimischen Familienumfeld in
Institutionen wie das Krankenhaus verlagert. Diese Entwicklung führe dazu dass heute anders
gestorben werde als früher: steril geräuschlos unauffällig - und vor allem einsam. Für die
thanatosoziologische Erforschung des Umgangs mit Sterben Tod und Trauer erwies sich Elias'
Studie als Meilenstein. Kein anderes deutschsprachiges Buch dürfte in diesem Zusammenhang
häufiger zitiert worden sein. Was jedoch fehlt ist eine systematische Überprüfung der
empirischen Aktualität seiner Thesen. Dieses Desiderat bildet den Ansatzpunkt für die
vorliegende Untersuchung. Ausgehend von originären qualitativen Forschungen werden zentrale
Aspekte der Elias'schen Perspektive aufgegriffen und auf ihre Anschlussfähigkeit hin
analysiert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage was der soziale Wandel der vergangenen
Jahrzehnte für die heutige Situation der Sterbenden bedeutet.