Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat ist gegenwärtig in den der
griechisch-orientalischen Kirche angehörenden Staaten besonders in Rußland Griechenland und
Rumänien eine sehr aktuelle geworden. Wenn es auch historische Tatsache ist daß vom Verhältnis
der Staatsgewalt zur Kirche die rechtliche Stellung der Letzteren im Staate sowie das Ausmaß
der Selbstständigkeit der Kirche abhängt so geht dennoch die Bewegung nach der Änderung des
bestehenden dem Wesen und Zweck der Kirche nicht ganz entsprechenden Verhältnisses zwischen
Staat und Kirche nicht von der Staatsgewalt sondern von der Kirche aus. Da jedoch ein
prinzipielles dem Wesen und Zweck der Kirche entsprechendes System des Verhältnisses zwischen
Kirche und Staat als Direktive bei der vorzunehmenden Regelung der gegenseitigen Beziehungen
mangelt andererseits aber auf Grund von reinen Tatsachen aus der byzantin. Zeit u.zw. teils
auf Grund von Tatsachen persönlicher Willkür mancher byzantinischer Kaiser teils auf Grund von
anderen harmlosen aber absichtlich verfärbten Tatsachen ein System mit der durchsichtigen
Absicht das in Rußland bestehende Verhältnis des Staates zur Kirche quasi auf rechtliche
Grundlage zu stellen formuliert haben ein System das von vornherein dem Wesen und Zweck der
Kirche widerspricht dem Staate selbst nicht gar sehr frommt und deswegen in der gr. or
kirchenrechtlichen Literatur mit vollster Begründung seine schärfste Verurteilung besonders
von Seite der hervorragendsten Kanonisten und Historiker verdient hat. Meine Aufgabe wird somit
vorderhand die sein das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in römisch- byzantinischer Zeit
(seit Konstantin d. Gr. und bis zum Falle Konstantinopels) mit Rücksicht auf die Gesamtheit
der gegebenen Tatsachen welche Letzteren ich jedoch im Lichte der sie bedingenden Ursachen
betrachten werde darzustellen um einerseits das wahre Verhältnis zwischen Staat und Kirche im
byzantinischen Reiche herauszufinden und andererseits um für die richtige Lösung dieser Frage
in der Gegenwart die notwendigen Anhaltspunkte aus der Vergangenheit zu geben. Am Schluße
dieser rechtshistorischen Darstellungen werde ich das prinzipielle Verhältnis der griech.
orient. Kirche zum Staat in ein System zusammenfassen.