Wáng Yángmíng (1472-1529) ist einer der bedeutendsten konfuzianischen Denker des
kaiserzeitlichen China. Seine Philosophie der »Einheit von Wissen und Handeln« wirkt in China
und Ostasien bis zum heutigen Tage nach. Viele seiner Zeitgenossen lehnten seine auf
persönlicher Einsicht basierende Ethik ab. Die vorliegende Übersetzung mit der die Reihe
»Sino-philosophica« eröffnet wird dokumentiert die Auseinandersetzung über die Grundlagen des
rechten Handelns die er und sein Schüler Ouyáng Dé (1496-1554) mit Luó Qinshùn (1465-1547)
führten. In größter Allgemeinheit lässt sich diese Kontroverse in folgende Frage fassen: Hat
sich ethisches Handeln nach der empirisch erkennbaren objektiven Ordnung des Kosmos
(»Ordnungsprinzipien des Himmels«) und den tradierten Schriften der »Heiligen« (Gespräche des
Konfuzius Menzius und anderen Texten) oder aber nach der Einsicht des eigenen »Herzens«
auszurichten? Nicht nur lassen sich für Wáng Yángmíng ethische Prinzipien in der objektiven
Welt nicht erkennen. Das sich in der eigenen Einsicht offenbarende »ursprüngliche Wissen«
(liáng zhi) hat den Vorrang selbst gegenüber den Worten von Heiligen wie Konfuzius. Zu keinem
Zeitpunkt vor dem Eindringen europäischen Denkens am Ende des 19. Jahrhunderts ist in der
chinesischen Philosophie das Verhältnis von Tradition und eigenem individuellen Denken so
radikal diskutiert worden. Eine Einleitung sowie umfangreiche Fußnoten und Kommentare bieten
eine philosophische und geistesgeschichtliche Einordnung. Außerdem in der Reihe
»Sino-philosophica« in Vorbereitung: - Wáng Yángmíng: Dàxué wèn Grundtexte der Herz-Schule des
Konfuzianismus - Wáng Tíngxiàng: Ausgewählte Texte zur Ordnung des Kosmos - Zhìyi: Das Große
Ruhen und Kontemplieren ein Grundtext des ostasiatischen Buddhismus - Gongsunlóngzi (Meister
Gongsun Long): Zur altchinesischen Schule der Namen - Zhang Tàiyán: Kommentar zu Zhuangzis
Abhandlung über die Angleichung der Dinge