Ein Kleinod aus der russischen Erzähltradition: der Kellner von der traurigen Gestalt - eine
bleibende Figur der Literatur »zwischen den Revolutionen«. »Ich bin nicht irgendwer sondern
Kellner in einem erstklassigen Restaurant!« - Der Lakai Skorochodow weiß um seinen Wert: In
langen Arbeitsschichten serviert er den vornehmen Damen und begüterten Herren allerfeinste
Speisen: Ob Kapaun à la Richelieu Chaud-froid von Wild mit Trüffeln Kaviar oder französische
Birnen - die Moskauer Hautevolee schätzt die mondäne Speisekarte. Skorochodow und seine
Kollegen Meister ihres Faches und die aufmerksamsten Diener des Gastgewerbes verrichten ihren
Dienst tadellos. Sie kennen die Wünsche der Restaurantgäste ihre Arbeit verrichten sie in
größter Diskretion - sosehr auch bisweilen die Wünsche vor allem der reichen Männer gegen jede
gute Sitte verstoßen. Ein Kellner ist ein Mensch der nicht Aufhebens macht um seine Person
der nie spricht wenn er nicht gefragt wird und der den hohen Herren und Damen nicht zur Last
fällt - den Geboten seines Berufs dem Befehl »der Geräuschlosigkeit halber Gummisohlen zu
tragen « folgt der fromme Skorochodow klaglos das gebietet ihm nicht zuletzt der Glaube daran
dass ein jeder seinen Platz hat. Wenn er keinen schlechten Eindruck macht bedenken ihn die
Herrentische mit großzügigem Trinkgeld mit dem er Sohn und Tochter auf die höheren Schulen
schicken kann. Als Skorochodow jedoch eines Tages von seinem Untermieter wegen einer
Nichtigkeit bei der Polizei verleumdet wird beginnt eine Verkettung der kleinen und großen
Unglücke: Aufrührerischer Gesinnung verdächtig wird sein Sohn erst der Schule verwiesen und
schließlich eingekerkert - Skorochodow der sich bisher in sein Schicksal fügte beginnt einen
Sinn für Ungerechtigkeit und Missstände zu entwickeln. Geschult an Puschkin Gogol und
Dostojewski hat Iwan Schmeljow nach der gescheiterten Revolution von 1905 das Urbild des
anständigen Dieners entworfen den Kellner von der traurigen Gestalt den elenden Arbeiter
dessen Sittlichkeitsgefühl und Güte ihn über seine Herren erhebt. Von Maxim Gorki in höchsten
Tönen gelobt wurde Schmeljow mit Der Mensch aus dem Restaurant für die Kellner und
Gasthoflakaien Russlands aber auch für die entrechteten prekären Klassen zu einem von ihnen.
Vor dem Furor der Bolschewiki floh Schmeljow 1920 nach Paris - für seine ergreifend- schöne
Prosa für seinen menschlich-zugewandten Blick war in der Sowjetära kein Platz. Zu entdecken
ist eine rührend-hoffnungsvolle engagierte Literatur aus einer Zeit da Sozialkritik im
Begriff war in Revolution umzuschlagen.