Ob handgeschnitzte 'Fossilien' Gesänge eines kaledonischen Barden aus dem 3. Jahrhundert oder
erfundene Prominenten-Interviews - die Liste spektakulärer Fälschungen und Fakes ist lang und
vielfältig. Anhand von Fallgeschichten verfolgt dieses Buch zwei zentrale Fragen: Was waren die
Umstände die zur Akzeptanz der Falsifikate geführt hatten? Und welche diskurskritischen
Effekte folgten jeweils aus den Aufdeckungen? Vor dem Hintergrund einer Relektüre von Michel
Foucaults archäologisch-genealogischen Texten entwickelt Martin Doll zunächst eine Theorie der
Fälschung und des Fake. Dadurch werden die Phänomene von einem ontologischen Wahrheitsbegriff
gelöst und stattdessen diskurstheoretisch als Kippfiguren betrachtet. Die noch 'echten'
Fälschungen erscheinen vor ihrer Aufdeckung nämlich zunächst als wahr authentisch original
oder autorisiert und erst später nach ihrer Entlarvung als Falsifikat - eine Dynamik die bei
Fakes bei denen die Offenlegung von vornherein mitentworfen ist eine besondere Sprengkraft
entfaltet. Als Untersuchungsgegenstände können Fälschungen und Fakes daher zum einen Auskunft
darüber geben welche Kriterien in einem bestimmten geschichtlichen Zeitraum maßgeblich für die
Akzeptanz von wissenschaftlichen Gegenständen authentischen oder autorisierten Texten etc.
sind. Zum anderen können sie als Diskursereignisse begriffen werden weil sie zwar zunächst auf
einem Sockel regelmäßiger Praktiken ruhen bei ihrer Offenlegung aber dafür sorgen dass die in
einem Diskurs gültigen Aussagen Regeln und Praktiken einer Prüfung unterzogen werden wenn
nicht sogar eine grundlegende Transformation durchlaufen. Die untersuchten Fälle verteilen sich
auf knapp vier Jahrhunderte. Analysiert werden u.a. die sogenannten 'Würzburger Lügensteine'
(1726) der Piltdown Man (1912-1953) James Macphersons Ossianische Gesänge (1760) die
Interviewfälschungen von Tom Kummer (1996-2000) die gefälschten Magazinbeiträge für 'stern TV'
von Michael Born (1990-1996) und die interventionistischen Praktiken der US-amerikanischen
Künstlergruppe 'The Yes Men' (1999-heute).