Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Wie wird das Feld sozialer Phänomene durch
sozialtheoretische Annahmen kritisch begrenzt? Und: Wie wird faktisch die Grenze zwischen
sozialen Personen und anderen Entitäten gezogen? Die erste Frage bezieht sich auf die
erkenntniskritischen sozialtheoretischen Annahmen die in jeweils unterschiedlicher Weise in
die Forschung eingehen. Die zweite Frage bezieht sich auf elementare Grenzziehungen durch die
im Objektbereich der Kreis sozialer Personen begrenzt wird. Beide Dimensionen des Grenzbegriffs
stehen in einem engen Zusammenhang. Wer danach fragt wie faktisch der Kreis legitimer sozialer
Personen begrenzt wird darf nicht von vornherein voraussetzen dass ohnehin nur lebende
Menschen soziale Personen sein können. Wer diese Voraussetzung fallen lässt trägt eine hohe
Beweislast. Denn man muss Auskunft darüber geben welche alternativen sozialtheoretischen
Prämissen die empirische Forschung anleiten sollen und darüber wie das Verhältnis von
Sozialtheorie und empirischer Forschung zu begreifen ist. Die hier vorgestellten Studien
entfalten zunächst im Anschluss an die historisch-reflexive Anthropologie von Helmuth Plessner
ein neuartiges Verhältnis von Anthropologie und Soziologie. Anstatt Anthropologie bzw.
anthropologische Annahmen als Voraussetzung sozialwissenschaftlicher Erkenntnis zu begreifen
wird Anthropologie als ein Phänomen im Objektbereich verortet. Dies ermöglicht es zu fragen
welche Funktion der Anthropologie in der Moderne zukommt wenn es darum geht den Kreis
sozialer Akteure faktisch zu begrenzen. Die sich aus dieser Forschungsstrategie ergebenden
Konsequenzen für die Konstruktion von Sozialtheorien werden in einem zweiten Schritt
untersucht. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede rekonstruiert die sich bei
einem systematischen Vergleich der Sozialitätskonzeptionen von Handlungs- Interaktions- und
Systemtheorien ergeben. Vor diesem Hintergrund lassen sich die theoretischen und
methodologischen Neuerungen einordnen die eine Analyse der Grenzen der Sozialwelt erforderlich
macht. Dazu gehört nicht zuletzt eine Neufassung des Verhältnisses von Sozialtheorie und
empirischer Forschung. Anstatt Sozialtheorien gegen die Infragestellung durch empirische
Forschung zu immunisieren wie es seit Simmel üblich ist wird ein Verfahren vorgestellt das
es erlaubt sozialtheoretische Konzepte durch empirische Forschung zu irritieren.