Schostakowitsch ohne Maske. Nirgends zeigt der sowjetische Komponist sich so unverstellt wie in
den Briefen an seinen besten Freund Iwan Sollertinski den klügsten Musikwissenschaftler
Russlands. Kennengelernt hatten sie sich in Sankt Petersburg (damals Leningrad) als
Schostakowitsch 20 war und Sollertinski 24. Beide klebten sofort aneinander wie die Kletten.
Und wenn sie getrennt waren schrieben sie sich Briefe oder Postkarten. Nur die von
Schostakowitsch sind erhalten. Sie geben das Bild zweier brillanter junger Künstler die sich
mit Begeisterung in die aktuellen Auseinandersetzungen stürzen und dabei nicht vergessen das
Leben zu genießen. Auch so intim erleben wir Schostakowitsch sonst nirgends. Ab 1935 mit dem
Stalin'schen Terror verändert sich die Tonlage allmählich. Die beiden sind sich nicht mehr so
sicher dass Können und Argumente sich durchsetzen. Der Überfall der Deutschen auf die
Sowjetunion und die Einkreisung Leningrads durch die Nazitruppen trennt die Freunde:
Schostakowitsch wird nach Samara (damals Kuibyschew) evakuiert Sollertinski nach Nowosibirsk.
Ein gutes Ende scheint auf als Schostakowitsch 1943 nach Moskau zieht und dem Freund eine
Professur am Moskauer Konservatorium vermittelt. Doch der durch Kriegsentbehrungen und Mobbing
in der Leningrader Philharmonie geschwächte Sollertinski erliegt 1944 mit 41 Jahren einem
Herzschlag. Für Schostakowitsch war das eine Katastrophe. Seine Briefe bilden ein Monument für
eine große Freundschaft und geben intime Einblicke in die kulturpolitische Entwicklung der
Sowjetunion.