Am Anfang stand ein Stimmbruch: Margarete Dessoff Tochter des ersten Kapellmeisters an der
Frankfurter Oper wollte eigentlich Konzertsängerin werden musste diesen Wunsch aber aufgeben
als sie im Gesangunterricht ihre Stimme verlor. Erst nach jahrelanger Arbeit mit der Sängerin
Jenny Hahn gewann sie die Kontrolle über die Stimme zurück eröffnete auf der Basis dieser
Erfahrungen eine eigene Gesangschule und bildete aus dem Kreis ihrer Schülerinnen den
Dessoff'schen Frauenchor der vor dem Ersten Weltkrieg in ganz Deutschland berühmt wurde. Seine
Konzerte entwickelten sich zu einem Forum für selten gehörte weltliche wie geistliche
Chorliteratur für wiederentdeckte Vokalsätze der Alten Musik und neue Werke junger
Komponisten. Mit ihren Programmen und alternativen Konzertformen setzte Margarete Dessoff
eigenwillige Akzente im professionellen Musikbetrieb. Sie versuchte die wachsende Kluft
zwischen Amateuren und Profis zu überwinden den Frauenchor als gleichwertige Kategorie im
Konzertleben zu etablieren und eine in Ritualen erstarrte Chorkultur an der zeitgenössischen
Musikentwicklung zu beteiligen. Mit ihren über drei Jahrzehnte erfolgreichen Auftritten als
Dirigentin stellte sie zugleich eine scheinbar naturgegebene Geschlechterordnung in Frage. Auf
dem Höhepunkt der Inflation ging sie 1923 nach New York City übernahm die Chorklasse an der
heutigen Juilliard School of Music und gründete zwei unabhängige Chöre für gemischte und
weibliche Stimmen die sich 1931 zu den noch heute existierenden Dessoff Choirs vereinigten.
Ihre mit viel Mut zum Risiko gestalteten Konzerte wurden auch in New York als Höhepunkte im
Musikleben wahrgenommen von maßgeblichen Kritikern begleitet und von einem wachsenden Publikum
begrüßt. Als sie sich 1936 aus dem Berufsleben zurückzog würdigte die New York Times ihre
Arbeit als richtungsweisend für die Chorkultur und den A-cappella-Gesang in den Vereinigten
Staaten. Im nationalsozialistischen Deutschland als Halbjüdin von Verfolgung bedroht ging sie
zunächst nach Wien und zog nach dem deutschen Einmarsch in Österreich weiter in die Schweiz wo
sie ihre letzten Lebensjahre bei Locarno verbrachte.