Paris ist als Tummelplatz der künstlerischen Moderne aus aller Welt legendär von Rilke bis
Gertrude Stein. Doch unvergleichlich ist die Zuwanderung von Künstlern Dichtern und
Philosophen aus Rußland in die französische Metropole. Aus der Seine wurde zwischen den
Weltkriegen kurzerhand die »Kleine Newa« und das Viertel der Bohème zum Russkij Montparnasse.
Umso erstaunlicher daß sich bisher keine Gesamtdarstellung diesem faszinierenden Kosmos
gewidmet hat der die russische Heimat in sich bewahrte und nur selten den Anschluß an die
französische westliche Kulturwelt suchte - eine Parallelgesellschaft wie zuvor schon in
Berlin. Felix Philipp Ingold läßt diesen Kosmos mit all seinen Facetten und Widersprüchen noch
einmal aufleben: geistige Höhenflüge und Existenznöte künstlerische Kooperation oder
Konkurrenz erbitterte Feindschaften und Verbrüderungen. Das russische Paris entpuppt sich als
ein Gesamtkunstwerk in dem die Trennlinien zwischen den intellektuellen und künstlerischen
Disziplinen wie auch den sozialen Sphären nicht präzise zu ziehen sind. Das schlug sich im
Schaffen einzelner Künstler wie Wassilij Kandinskij Ilja Sdanewitsch (Iliazd) oder Serge
Charchoune nieder die nicht nur Maler sondern auch Schreibende waren. In der Lyrik
konkurrierte die neoklassische »Pariser Note« mit den jungen Avantgardisten um Boris
Poplawskij. Und auch die Stimmen von Schriftstellerinnen wie Marina Zwetajewa Teffi Nina
Berberova oder Sinaida Hippius waren unüberhörbar. Die russische Diaspora in Paris löste sich
allmählich auf wobei manche den Weg zurück in die Sowjetunion antraten. Doch dort erwartete
viele von ihnen neue Verfolgung oft sogar der Tod. Felix Philipp Ingold erweist sich als
umsichtiger Experte entmystifiziert aber auch einige Vorurteile und Legenden. Dabei greift er
auch auf Tagebücher Briefe und zumeist auf Deutsch nicht verfügbare Quellen zurück die
Einblicke in private und künstlerische Zusammenhänge geben die bisher kaum bekannt waren - in
13 parallelbiographischen Kapiteln welche Ähnlichkeiten wie auch Unterschiede klar
zutagebringen - wie beim Ehepaar Sinaida Gippius und Dmitrij Mereshkowskij oder solchen die
sich in herzlicher Abneigung zugetan waren wie Vladimir Nabokov und Iwan Bunin.