Weshalb ist der Süden - vulgo Dritte Welt oder Entwicklungsländer - arm? Und weshalb ist der
Norden - vulgo Erste Welt oder Industrieländer - reich? Und zwar unabhängig von den sich
wandelnden politischen Verhältnissen seit Ende des 19. Jahrhunderts und unabhängig von den
unterschiedlichen sich abwechselnden politischen Regimes im Norden als auch im Süden? Wie
funktioniert die Weltwirtschaft im Kapitalismus und wie setzt sie sich notfalls auch gegen den
Willen der politischen Akteure am Weltmarkt durch? Sozusagen mit einer unsichtbaren Hand des
Marktes um einen Begriff von Adam Smith zu gebrauchen?Auf gut 500 Seiten werden sorgfältig die
wichtigsten Zusammenhänge zwischen Nord und Süd aufgedeckt um letztlich zu einem ernüchternden
Schluss zu kommen: Selbst in der theoretisch besten politischen Welt bleibt der Süden im
Vergleich zum Norden arm. Es sind die bürgerlichen Eigentums- und Produktionsverhältnisse die
Nord und Süd aneinanderschweißen. Und zwar in einer in jeder Hinsicht ungleichen
Rollenverteilung die sich keineswegs auf die Usancen des Handels und dessen Terms of trade
beschränken.in paar Kapitel dieses Buches beschäftigen sich somit ziemlich ausführlich mit
Theorie. Die Theorie ist hier aber nie Endzweck sondern nur insofern zu besprechen als es
darum geht die Welt von heute mit all ihren Offensichtlichkeiten besser zu verstehen. Oder
anders gesagt: Es geht gerade darum das Offensichtliche auf nicht gleich sichtbare ökonomische
Kräfte zurückzuführen und damit zu entschlüsseln. Der Text ist immer wieder mit empirischen
Beobachtungen durchsetzt. Indes sind die Beobachtungen nicht einfach nur Impressionen sondern
Zahlen die sich zueinander in ein Verhältnis setzen lassen. Die gewählten Indices basieren auf
sorgfältig aufbereiteten Daten etwa von The World Bank Bank for International Settlements
Penn World Table und The Observatory of Economic Complexity - um nur die wichtigsten Quellen zu
nennen. Auf dieser Basis können wir die wichtigsten ökonomischen Aspekte wie etwa die
Unterschiede im Kapitalreichtum der Produktivität der Kapitalzusammensetzung der globalen
Verteilung von Finanzinstrumenten und Ähnliches abbilden. Schließlich bedarf selbst die beste
Theorie der challenge durch die Empirie um ihre Plausibilität zu stärken. Und so manche
Annahmen unseres common sense über den Süden und den Norden werden bereits durch
Rechenergebnisse widerlegt. Die Beschäftigung mit der Empirie ist besonders wertvoll wenn sie
hilft falsche Vorannahmen abzulegen und der Theorie neue Fragestellungen zu eröffnen. Freilich
gilt auch für dieses Buch wie für viele andere: Berechnungen haben meist eine geringere
Halbwertszeit als abstrakte Sätze: Bessere Quellen geschicktere Auswertungsverfahren und
einfach weniger Fehler führen gerade auf dem Terrain der Ökonomie ganz schnell zu anderen
Ergebnissen. Im günstigsten Falle profitiert die Aufarbeitung empirischer Rohdaten von dem
spezifischen Untersuchungsdesign einer guten Theorie. Martin Seelos macht dies bei jedem
Schritt der Berechnung explizit und transparent - sodass es den Lesern selbst überlassen bleibt
den Schlüssen zu folgen.