Über dieses Buch Zu Unrecht betrachtete Freud die Schriften die er vor Begründung der
Psychoanalyse veröffentlicht hatte rückblickend eher geringschätzig. Nur eines dieser
Frühwerke deren Bedeutung allmählich immer klarer erkannt wird ließ er gelten und rechnete es
zu seinen »wirklich guten Sachen«: die Monographie über die Aphasien das heißt die durch
Hirnschädigungen verursachten Sprachstörungen. 1891 erschienen wird der Text in der
vorliegenden Taschenbuchausgabe erstmals wieder zugänglich gemacht (ediert von Ingeborg
Meyer-Palmedo und Paul Vogel vgl S. 35 Vorspann der Redaktion).Freud war die Beschäftigung
mit den Sprachstörungen durch Fragen nahegelegt worden auf die er beim Studium der
hysterischen Lähmungen stieß also unmittelbar im Zusammenhang der Entdeckung des Unbewußten
und der Entwicklung der sogenannten »Redekur«. Es ging um das Konzept pathogener unbewußter
Vorstellungen über das sich Freud von den zeitgenössischen Hirnforschern Aufschluß erhoffte.
Indem er sich von deren Hypothesen kritisch absetzte beförderte er sich selbst sozusagen von
der Analyse des Sprachapparats zur psychoanalytischen Konzeptualisierung des seelischen
Apparats. Unabhängig davon bildet die Monographie einen Meilenstein auf dem Wege zur
Entwicklung der modernen Neurowissenschaft sie half nämlich dabei die herkömmliche statische
anatomisch-lokalisatorische Auffassung der Hirnleistungen durch eine neue
dynamisch-funktionalistische abzulösen. Wegen der Schönheit der Darstellung und der
selbstbewußten Originalität des Gedan-kens gilt diese Studie heute als das eigentlich erste
Freudsche Hauptwerk.Wolfgang Leuschner zeigt in seiner Einleitung daß das Aphasien-Buch
keineswegs nur von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse ist. Die Lektüre dieses
Übergangsdokuments kann vielmehr dabei helfen bestimmte bis heute dunkle psychoanalytische
Theoriestücke durch Rückführung auf ihre Wurzeln zu klären. Überdies lassen sich aus dem
ingeniösen Frühwerk für die Zukunft der Psychoanalyse mancherlei Anregungen zu
interdisziplinärer Forschung ableiten.