Kultur diesmal nicht als Text! Gewinnen wir einen neuen Blick auf die Kulturgeschichte wenn
wir eine Kultur nicht bloß in der Perspektive ihrer Sprache Texte Werke und Monumente
betrachten sondern ihre Kulturtechniken untersuchen? 'Kulturtechniken' hier verstanden als
jene alltäglichen Praktiken in denen - wie etwa beim schriftlichen Rechnen - das Symbolische
und das Technische so eng sich verschwistern daß unser Wissen die Form eines technisierbaren
Könnens annimmt? Entsteht eine innovative Perspektive für die Wissenschaftsgeschichte sobald
wir das Zusammenwirken von Schrift Bild und Zahl dabei berücksichtigen? Der Computer
integriert heute die phänomenal so verschiedenartigen Medien wie Schrift Bild Musik und
Sprache und zwar gerade deshalb weil das Binäralphabet diese als Zahlen zu codieren erlaubt.
Diese binäre 'Umschrift' verschiedenartiger Medien ist zwar neu. Doch zugleich wirft sie die
Frage auf ob und wenn ja: in welchem Umfang kulturelle und wissenschaftliche Umbrüche ihre
Impulse empfingen gerade von Transformationen nicht nur zwischen den verschiedenen
Darstellungssystemen sondern auch zwischen dem Semiotischen und dem Maschinellen selbst. Eines
zumindest ist klar: Nur einer transdisziplinären Anstrengung die bereit ist die Grenzen des
eigenen Fachs nicht für die Grenzen der Wissenschaft zu halten enthüllen sich Interdependenzen
zwischen Bild Schrift Ton und Zahl in jenem Umfang in dem deren kulturstiftende Leistungen
tatsächlich hervortreten können. Forscher aus der Mediävistik Mathematik Kunstgeschichte
Kulturwissenschaft Medienwissenschaft Informatik und Philosophie die im Helmholtz-Zentrum
für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität Berlin zusammenarbeiten folgen den Spuren
kultur- und wissenschaftsprägender Umcodierungen: Sie stoßen dabei auf die Hand als frühes
Multimedium der Repräsentation (Horst Wenzel) auf Modelle als eigentliche Bezugsgrößen von
Wissenschaft (Bernd Mahr) auf eine erstaunliche Parallelität zwischen der Kulturtechnik des
Sammelns und der Dynamik von Forschungszyklen (Jochen Brüning) auf die Ikonographie
kulturtechnischer Embleme (Horst Bredekamp) auf bildgebende Argumentationsverfahren in den
Wissenschaften (Wolfgang Coy) auf die Schriftbildlichkeit als kulturtechnisches Potenzial
(Sybille Krämer) auf die Vorgängigkeit der Zeitrechnung gegenüber dem Zeitbegriff (Thomas
Macho) und schließlich auf das griechische Alphabet als Medium zugleich der musikalischen
mathematischen und sprachlichen Notation (Friedrich Kittler).