Diese auf 20 Bände angelegte Edition geht auf eine viel beachtete öffentliche Vorlesungsreihe
zurück die Professor Michael Bockemühl Anfang der 1990er Jahren im Saalbau Witten hielt. In
seinen Diavorträgen nimmt der Redner gemäß seinem Credo: Der Künstler ermöglicht was der
Anschauende verwirklicht sein Publikum gleichsam bei der Hand und führt es zu den einzelnen
Kunstwerken hin. Dabei werden weder Spekulationen über ihre möglichen Bedeutungen angestellt
noch abstrakte Theorien über das Sehen geschmiedet vielmehr feiert der Autor ein Fest für das
Auge: Mit Witz und methodischer Konsequenz versteht es der passionierte Wahrnehmungsforscher
die Aufmerksamkeit auf die durch nichts anderes als durch das Kunstwerk eröffneten
Anschauungsmöglichkeiten zu lenken. Die Bände werden herausgegeben von Dr. phil. David
Hornemann v. Laer (Fakultät für Kulturreflexion Studium fundamentale) in Zusammenarbeit mit
Birgit Bockemühl sowie Studierenden an der Universität Witten Herdecke. Band 14: Joseph Beuys -
Joseph Beuys ist im Jahr seines 100. Geburtstages fraglos aktuell hat er doch vorausgedacht
und eingefordert was wir mehr denn je brauchen: die Kreativität jedes einzelnen Menschen
bewegliches Denken und plastisches Vorstellungsvermögen sowie den schöpferischen Prozess im
Miteinander - all das was er mit dem Erweiterten Kunstbegriff fasste mit der Idee der
Sozialen Plastik zum Ausdruck brachte und nicht müde wurde zu erklären. Nicht jedoch um
Konzepte geht es dem Kunstwissenschaftler Michael Bockemühl in seinen Betrachtungen zu Beuys
die den 14. Band der Reihe KUNST SEHEN bilden sondern um die Erweiterung der eigenen
Wahrnehmungsmöglichkeiten durch und mit Kunst. Neben den legendären Aktionen des Provokateurs
Beuys geraten vor allem die kleinen leisen beiläufigen Arbeiten ins Blickfeld: Zeichnungen
Assemblagen Tafelbilder in die sich unerwartete Gesten Gedanken Materialien einmischen. So
wird deutlich dass der Formvorgang nicht mit der Idee beginnt und mit der Gestaltung eines
Werkes endet sondern beide Seiten stets zusammenwirken: Denken und Sprache sind formend und
materiell wie Skulptur und Installation zugleich immer auch geistig und spirituell sind - es
ist ihr Zusammenspiel und Beziehungsgefüge das unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten erweitert und
unser Handeln impulsiert. Dass schöpferische Gestaltung in jedem Moment möglich ist und stets
neue subversive Kraft entfalten kann zeigt die lebendige Begegnung von Bockemühl und Beuys
die der vorliegende Band eindrücklich entfaltet. Der Proklamator entscheidender Ideen zur Kunst
der große Pädagoge und - wenn man so will - der große Aktionskünstler der den ganzen
Kunstbetrieb eine Zeit lang in Atem gehalten hat - diese Figur nun möchte ich heute von einer
anderen Seite betrachten. Nicht so sehr das Spektakuläre nicht die Frage beantwortend was
Beuys mit Kunst zu tun hat. Sein Postulat haben wir im Ohr: Jeder Mensch ist ein Künstler -
eine Provokation die jeder Mensch gern für sich in Anspruch nimmt solange er alleine ist -
aber sobald er in Gesellschaft ist zögert er dann doch. Es steckt hier aber wie ich in meiner
Vorlesung zeigen möchte ein Potenzial für die Auffassung von Kunst drin das noch überhaupt
nicht ausgewertet ist. (Michael Bockemühl)